Kommentar vom 14. August 2009: Der Unterschied zwischen „dürfen“ und „müssen“
Als ich Januar/Februar 2009 das Projekt „Hartz IV als Vollwertlerin“ über 31 Tage startete, das ich dann in ein Buch verarbeitet habe, rechnete ich damit, dass ich mit Kritik von Nichtvollwertlern eingeseift werde. Alles, was mir dazu einfiel, habe ich natürlich versucht im Projekt aufzufangen. Da ich die 31 Tage ja wirklich von dem Geld gelebt hatte, war ich mir auch sicher, solcherlei Kritik immer etwas entgegenhalten zu können, was Hand und Fuß hat.
Erstaunlicherweise habe ich bisher nur zwei Kritiken erhalten: von Vollwertlerinnen Diese waren, das muss ich vorausschicken, insgesamt zwei sehr nette Mails, und auch die Kritik war freundlich formuliert. Nur, was da kam: Das hat mich schon erstaunt.
Beim ersten Mal schrieb mir eine Frau, die in einem Bioladen arbeitet. Ihrer Kollegin gefiel das Buch auch, aber sie meinte, da sei nicht genug Fett drin. Ich habe dann mal nachgehakt, wieso? „Na also, Bruker hat da ja in einem Rezept für eine ganze Familie z.B. 250 g Sahne genommen.“ Da stutzte ich: Verwechseln vielleicht viele in der Vollwert ein „darf“ mit einem „muss“?
So ist natürlich das Schöne für uns Vollwertler, dass wir kein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn wir uns die Butter dick aufs Brot streichen oder einen Kuchen oder das Frischkorngericht mit reichlich Sahne dekorieren. Ich weiß auch, dass Bruker es als einen Pfeiler der Vollwertkost sah, dass wir jeden Tag gesundes Fett (Sahne, natives kalt gepresstes Öl, Butter) essen, wobei für ihn Butter das gesündeste Fett war, weil es keinerlei Belastung in Sachen Verarbeitung für den Körper darstellt.
Aber wo steht denn, dass wir ein ganzes Päckchen Sahne pro Tag essen müssen? Wo stehen sonst noch Aussagen über Fettmengen, die wir essen müssen? Ich kann mich da wirklich an keine Stelle erinnern.
Vor wenigen Tagen nun die zweite Zuschrift einer Vollwertlerin, die ebenfalls meinte, ihr sei das aber nicht genug Butter und Sahne.
Da habe ich nochmals nachgedacht, habe mir das noch einmal angeschaut. Ich muss dazu vorausschicken, dass ich in der Hartz IV Phase so viel und so reichlich gegessen habe, wie lange vorher nicht mehr, damit man mir nicht den Vorwurf zu kleiner Portionen oder mangelnder Vollwertigkeit machen konnte. Das schon war für mich ein Grund aufzuatmen, als die 31 Tage um waren „Endlich nicht mehr so viel essen“. 🙂 Und so viel Sahne und Butter wie in der Zeit esse ich sonst auch nicht – das hat sich bei mir einfach geändert.
Ich habe heute die fetten Dinge noch einmal zusammengezählt. Ich habe in 31 Tagen verbraucht: 500 g Butter, 1500 g Sahne (das sind 1,5 Liter!), 500 g Mandeln 1 Liter Öl, 500 g Leinsamen, 1 kg Sonnenblumenkerne, 125 g Kokosflocken.
Ich will jetzt hier nicht mein Essen rechtfertigen. Worum es mir geht: So leicht können Dinge umgedeutet werden, so leicht wird aus einem Brukerschen „du darfst Sahne essen, habe kein schlechtes Gewissen“ ein „Iss Sahne, und das reichlich!“. Mir zeigt das auch wieder einmal, dass ich mir auch immer erneut noch einmal klar machen muss, was Vollwertigkeit für mich bedeuten soll und dass ich nicht in Denkmuster verfalle, wo ich dann plötzlich Dinge als „Muss“ sehe, die eigentlich nur ein Angebot sind. Davor bin ich ja genauso wenig gefeit wie meine beiden netten Mailverfasserinnen. Und gerade mit dem Fett kann ich auch Interessenten an der Vollwert vergraulen, die als „Normalos“ ja aus einer Welt kommen, wo Fett verpönt ist und erst langsam an den Gedanken herangeführt werden sollten, das Fett – gesundes Fett! – überhaupt nicht schlimm ist. Aber eben auch kein Zwang.
die intention von bruker lag hauptsächlich darin, dass er den leuten nicht die komplette umstellung auf rohkost zumuten wollte. er empfahl butter und sahne sozusagen als kompromiss. bruker war selbst rohköstler, das berichteten mir leute, die ihn persönlich kannten.
letztlich ist das fett in butter und sahne mit artfremdem (kuh-)eiweiß kombiniert. wirklich gesunde fette sind daher nur in samen, nüssen, avocados, oliven, kokosnuss und anderen natürlichen fettpflanzen. auch das wusste bruker, wie die aufmerksame lektüre seiner bücher zeigt.
sahne und butter also möglichst in maßen und nicht in massen – lieber das GANZ gesunde fett erhöhen.
Dass er für einen starken Rohkostanteil in der Ernährung war, ja sicher.
Ich habe auch mit mehreren Leuten gesprochen, die Bruker persönlich kennen, die ganz deutlich machen, dass er keineswegs Rohköstler war. Und wer „1 Esslöffel Sahne“ im Frischkornmüsli zur Vorschrift macht, verficht wohl auch keine Rohkost. Auch sagt er ganz deutlich, dass Butter das gesündeste Fett überhaupt ist, weil es für die Galle die geringste Belastung darstellt.
Mit den Maßen und Massen bin ich ganz einer Meinung mit dir.