Kommentar vom 6. August 2010: Hilfe, ich werde älter!
Unsere Putzhilfe pflegte in den letzten Jahren, wenn sie etwas vergaß, stets zu sagen: „Jaja, ich werde älter.“ Anfangs habe ich noch versucht zu erklären, dass Vergesslichkeit keine unausweichliche Alterserscheinung ist, sondern dass wir einfach – wenn wir älter werden – eher geneigt sind, solche Dinge mit „ich werde älter“ zu betiteln. Ich habe vor vielen Jahren mal in einem Buch über die Gehirnfunktionen gelesen (leider habe ich den Titel nicht mehr), dass das Gehirn auch im Alter, solange es gesund ist, völlig normal ist. Die Vergesslichkeit ist nicht erhöht. (Vor wenigen Tagen las ich dann, Forscher hätten nun Genveränderungen festgestellt, die zur Vergesslichkeit im Alter führen. Komisch, wie die Forschung auch Modetrends folgen kann…)
Da im vorliegenden Fall die Erklärung aber nichts half, habe ich mir für solche überflüssigen Bemerkungen mittlerweile die Gegenantwort parat gelegt, es geht jetzt so: „Ach ja, ich werde alt!“ Ich: „Das hoffe ich!“ Meist dauert es ein paar Sekunden, bis der Satz ankommt 😉
Ganz erstaunt war ich nun, als ich in der letzten Zeit, wenn ich mit meiner Freundin Florinda telefonierte, schon mal so Sätze kamen wie „Jaja, ich werde alt <kicher>“. Bestimmt zwei oder drei Mal ist es mir in der letzen Zeit aufgefallen, es ging aber dann im Gespräch unter. Vor ein paar Tagen nun besuchte ich Florinda, die wohlgemerkt etwa 15 Jahre jünger ist als ich. Sie erzählt mir bei einem gemütlichen Tässchen Tee, dass sie und ihre Freundin Sybille sich letztlich darüber ausgetauscht hatten, dass sie doch heutzutage bei Gymnastik und Sport länger brauchen, bis der Körper darauf reagiert, mit Muskelaufbau usw.
Da wollte ich nicht länger schweigsam sitzen bleiben. Als ich nämlich in Florindas Alter war, hatte ich gerade nach einer langen Phase der Trägheit wieder sportliche Aktivitäten aufgegriffen. Ich ging regelmäßig schwimmen und noch kurzer Zeit des Einübens schwamm ich locker (mehr oder weniger locker <G>) allen anderen davon – auch jüngeren Zeitgenossinnen. Ausgenommen natürlich Vereins- oder anderen Profi- und Halbprofischwimmerinnen. Und ich war mindestens zwei Jahrzehnte nicht mehr schwimmen gewesen. Allerdings radel ich seit 20 Jahren jeden Morgen 30-40 Minuten auf dem Trimmrad und gehe regelmäßig zu Fuß. Florinda war aber auch immer sportlich aktiv.
Ich habe also bei Florinda nachgehakt: Hast du denn damals vielleicht mehr Sport gemacht? Nein, sie ging auch regelmäßig zur Gymnastik, regelmäßig Schwimmen… Ich bohrte weiter nach: gleichschwere Gymnastik, oder schwerer? Mehr Schwimmen? Schließlich grinste sie schräg und meinte – „Naja, ich habe damals auch noch Geräteturnen gemacht.“
Wir werden alle älter und das Alter bringt durchaus körperliche Veränderungen. Wir sollten da aber ganz vorurteilsfrei und vorsichtig herangehen und uns immer fragen: Ist das jetzt wirklich eine Veränderung, oder GLAUBE ich nur, dass es eine ist, weil das so gut in das heutige Denkschema von Alter (= krank, vergesslich und gebrechlich sein) passt? Natürlich sehe ich heute nicht mehr aus wie eine Zwanzigjährige und ich finde es peinlich, wenn gerade Schauspielerinnen meinen, mit den jungen Mädels konkurrieren zu müssen. Das ist wie Äpfel und Birnen vergleichen – eine Fünfzigjährige wird nie den Körper einer Zwangzigjährigen haben, dafür hat sie mehr Übung im Umgang mit anderen Menschen, mehr Geduld, mehr Charme, vielleicht eine offenere Art, die einer schüchternen jungen Frau noch verwehrt bleibt.
Vor allem aber die geistige Entwicklung ist, und das ist auch wissenschaftlich belegt <g>, gar nicht altersabhängig – wenn wir unser Gehirn immer hübsch auf Trab halten. Wenn wir natürlich 30 Jahre lang nichts Neues mehr lernen, nur auf den eingetretenen Pfaden laufen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir im Italienisch-Kurs der VHS größte Mühe haben, auch nur eine Vokabel zu lernen.
Die körperliche Reaktionsfähigkeit lässt nach, aber gerade bei Autofahrern gibt es hochinteressante Untersuchungen, dass wir das bei wachsendem Alter durch Erfahrung auffangen können. So dann auch eine aktuelle Meldung aus dem Seniorenratgeber August, wo berichtet wird (S. 9), dass ältere Fahrer mit mehr als 30 Jahren Fahrerfahrung stärker auf den Verkehr von rechts achten.
Gerade bei ernstzunehmenden Ernährungsüberlegungen werden uns immer wieder die Naturvölker vorgeführt. Warum wohl schieben diese ihre Alten nicht in Abfallhütten am Rande der Siedlung ab, sondern respektieren sie, befragen sie um Rat?
Die Altersklischees in unserer Gesellschaft lauern hinter jeder Ecke, hinter jedem Seniorenratgeber. Sie zu erkennen und zu schließen, statt hineinzuspringen, ist eine wichtige Aufgabe, die sich jeder stellen sollte – nicht erst, wenn der 40. oder 50. Geburtstag erreicht ist.
Wenn die geistige Entwicklung garnicht altersabhängig ist, dann ist doch alles klar. Ich konnte mich nämlich schon in der Grundschule beim besten Willen nicht erinnern, wie es in Mamas Bauch war 🙂
Wahrscheinlich bin ich schon mit dieser Genveränderung, die die Vergeßlichkeit verursacht, zur Welt gekommen.
Aber generell bezeichne ich mein Gehirn immer als Festplatte mit begrenzter Speicherkapazität – paßt eben nicht alles drauf!
Von Zeit zu Zeit muß die mal von Unnötigem entrümpelt werden, damit wieder was Wichtigeres Platz hat. Und der Zwischenspeicher läuft auf immer mal wieder über – sorry!
Beim Umgang mit Jugendlichen merke ich, daß diese scheinbar noch viel größere Probleme mit der ‚Datenverwaltung‘ haben als ich. Aber die üben ja noch – wird schon werden, mit zunehmender Erfahrung! *ggg*
Ich meine mal gelesen zu haben, dass wir überhaupt nur ein Bruchteil unseres Gedächtnisses wirklich nutzen. Dennoch entrümpel ich da auch gerne – einfach der Ordnung halber 😀
Schaut doch mal bei V.F. Birkenbihl nach. Habe bisle was von ihr gelesen auch wenn mit der Umsetzung haperts ein bischen. Sehr kluge Frau. Kann nur empfehlen.
Danke für den Hinweis.