DIY – do it yourself

Kommentar vom 9. August 2010: Wir machen alles selbst!

Heute machen wir alles selbst – ich meine hier aber nicht die Küche. Nein, wir machen Dinge selbst, für die es früher mal Fachleute gab. In der Küche ist das ja umgekehrt: Da machen wir (Vollwertler) endlich mal wieder das, was früher alle Haushalte selbst vollbrachten.

Ikea hat uns billige Möbel gebracht. Das mag sein. Es hat uns aber auch gebracht, dass jetzt fast alle anderen Möbelhäuser ihre Arbeit auf die Verbraucher abwälzen. Nur wenige exquisite Läden verlangen nicht von mir, dass ich mit einem Schraubenzieher in der Hand alles zusammenbaue. Ein Regal, okay, das schaffe ich noch. Aber ein Trimmrad kaufen ohne handwerklich begabte Stütze an der Seite ist ein Abenteuer. Ich würde so ein Ding nicht zusammen bekommen.

Im Wahn des Sparens merken wir kaum, wie wir nicht wirklich sparen, sondern uns nur Mehrarbeit aufhalsen lassen. Kaum haben wir das mit uns machen lassen, gehen auch die Preise nach oben. Oder sind die Benzinpreise jetzt billiger als zu den Zeiten, als wir an der Zapfsäule noch bedient wurden?

Dann gibt es noch die andere Seite des Sparens, wo die Menschen denken, sie können alles selbst. Also wer jetzt einen PC und ein Grafikprogramm hat, glaubt nun plötzlich, er sei ein begabter Grafiker. Komischerweise denken diese Leute aber nicht, dass sie nun auch begnadete Mathematiker sind, nur weil sie einen Rechner (was ja auch ein Wort für PC ist) vor sich stehen haben.

Vor einigen Jahren noch wurden anlässlich von Geburten und Konfirmationen gedruckte Karten verschickt. Das kostete ein wenig Geld, dafür war das Papier edel, die Aufmachung professionell. Kaum konnten die PCs auch Kartons bedrucken, war die Zeit der gedruckten Karten gestorben. „Ran an die Selbstgestaltung“. Was ich in den letzten Jahren so habe an Selbstgedrucktem in meinem Briefkasten landen sehen, hat einen deutlichen Qualitätsabschwung aufzuweisen. Aber was soll’s, wir müssen doch mal rechnen: Wenn ich nach der Geburt eines Kindes nicht Karten drucken lassen, sondern selbst drucke – da spare ich! Dennoch trudeln Geschenke bei mir ein. Ist doch günstig, oder?

Jetzt ist das System aber noch perfektioniert worden: Mittlerweile sparen die glücklichen Eltern auch am Porto. Sie verschicken nicht mehr selbstgemachte Karten mit Fotos vom Winzling (jeder Abzug kostet Geld!), sie versenden Emails mit eingebundenen Fotos. So ist es mir selbst letztlich ergangen. Ich dachte in meiner Naivität, das wäre eine spontane Geste und die „offizielle“ Benachrichtigung würde noch folgen. Aber nichts da – es kam nichts mehr. Nun habe ich lange überlegt, wie ich, die ich auf der Geschenkeseite stehe, da nicht die Dumme bin. Denn Geschenke werden in gleicher Höhe wie zuvor erwartet. Die Eltern freuen sich… so viele nette Geschenke, und kaum ein finanzieller Aufwand.

Ich bin da dem einen oder anderen vielleicht zu kleinlich. Das mag gut sein. Aber mir macht dieses ganze Selbstgemachte keinen Spaß – weil es nämlich nur nach Sparen riecht, nicht danach, dass die Absender sich wirklich bemüht haben. Vielleicht verschicke ich einen Link zu einem netten Babyanzug 🙂

Übrigens – ich warte auf den Tag, wo die erste selbstgemachte Todesanzeige bei mir eintrifft. Oder die entsprechende Email-Benachrichtigung. Da scheint noch ein gewisses Tabu-Gebiet zu liegen. Warum eigentlich? Einen schwarzen Rand mit einer Winword-Tabelle zu erstellen ist wirklich ganz einfach, versprochen 🙂

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10 Gedanken zu “DIY – do it yourself

  1. theomix 9. August 2010 / 21:39

    Wenn du kleinlich bist, dann bin ich es auch. Das läuft vermutlich unter „selbstbedienungsgesellschaft“.
    Kondolenzbücher gibt es übrigens im internet schon.

    • onebbo 10. August 2010 / 07:10

      Oh fein, so ein Kondolenzbuch ist ja schon mal der erste Schrittt (würgel)

  2. mialieh 9. August 2010 / 23:58

    Ich sehe ein, dass die Tendenz zu unprofessionellem Umgang mit dem Medium Computer herrscht und dass es sich viele Menschen leicht machen. Andererseits finde ich bei Geburtsanzeigen auch wieder schön, dass mehrere Fotos verschickt werden und nicht nur eins. Und gerade für private Zwecke haben Dienste wie Vistaprint, wo man ein Grunddesign für Einladungskarten und Visitenkarten erwerben kann doch einen erheblichen Nutzen: keine Gau-weißen Kopien mehr, mit Rändern… das finde ich ganz nett. Prinzipiell halte ich allerdings auch lieber Bücher als Ebooks in den Händen, schenke lieber Echtes als Virtuelles und bekomme auch lieber solches geschenkt…

    • onebbo 10. August 2010 / 07:16

      Es hindert doch z.B. die glücklichen Eltern niemand daran, an Interessierte parallel per Email ein paar Fotos zu versenden. Und Vistaprint finde ich auch besser als eine graue Kopie, und entspricht im Grunde auch dem, was ich sage.

      Wer sich nicht die Mühe macht, zu einem großen Fest eine ordentliche Karte zu schicken, sondern nur eine dahingeschlurte Email (denn schön gemacht sind sie auch selten, denn es muss ja Geld UND Zeit gespart werden), respektiert weder das Ereignis noch den Empfänger gebührend.

  3. Eva 10. August 2010 / 08:35

    Wie wahr! Wenn ich so nachdenke, habe ich in den letzten Jahren auch nur mehr „Geburts-SMS“ (!!) und an e-mails angehängte Babyfotos bekommen… Dabei würden schön gedruckte Karten den Anlaß wesentlich besser würdigen…!

    Generell ist die Kultur des Briefeschreibens ja leider auch fast gänzlich verschwunden. Ich nehme mich da nicht aus! E-mails sind nun mal sehr praktisch! Aber ab und zu überkommt es mich, und ich habe richtig Lust auf ein schönes Briefpapier, ein gefüttertes Kuvert und dann zelebriere ich das Briefschreiben. (Wobei ich zugeben muß, daß ich mittlerweile viel lieber in die Tasten klopfe als von Hand zu schreiben! Naja, müßte wohl öfters geübt werden 😉 !)

    • onebbo 10. August 2010 / 08:40

      Beim Briefeschreiben muss ich auch verschämt den Kopf in den Sand stecken – mache ich schon seit Jahren nicht mehr, was aber auch daran liegt, dass ich einfach mit der Tastatur (schon vor PC-Zeiten) viel schneller bin als mit der Hand. Und dass ich einfach auch viel mehr Emails schreibe, als ich jemals Briefe schreiben würde. Zum Glück bekomme ich auch noch Ansichtskarten statt lauter MMS 🙂

    • onebbo 10. August 2010 / 09:56

      Guter Fund 🙂 Da fängt es wahrhaftig schon an….

  4. Ines 11. August 2010 / 00:56

    Ich habe überhaupt nichts gegen DIY – ganz im Gegenteil.

    Wenn Menschen sich z.Bsp. die Arbeit machen, Einladungskarten zu großen Festen (Hochzeit, Taufe, Kommunion u.ä.) selbst aus schönem Papier zu basteln, filigran zu dekorieren und von Hand zu schreiben, dann steckt da Liebe und Wertschätzung drin.

    Eine Geburtsanzeige o. ä. per Email hat für mich dagegen den Stil einer Nachmittags-Talkshow.

    Genauso wie die Unsitte, *nach* dem ganzen Streß mit dem Fest die Danksagungen *einfach nicht mehr zu schaffen*.

    • onebbo 11. August 2010 / 06:11

      Jaja, WENN die Menschen sich Arbeit machen…. dann ist das schön. Aber eine abgelutschte Kopie einer an sich schon lieblosen Meldung zähle ich nicht dazu 🙂

      Danksagungen sind nicht mehr modern. Ich pflegte mich z.B. nach Eintrudeln von Geschenken prompt zu bedanken. Muss ich mir abgewöhnen, denn mittlerweile ist es so, dass ich mich im Gegenzug häufig nach 1 Woche erkundigen muss, ob das Päckchen, das ich verschickt habe, überhaupt eingetroffen ist. Bedanken ist peinlich :mrgreen:

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