Kommentar vom 20. August 2010: Tote Senioren
In der Augustausgabe der Apothekenumschau lesen wir in der Rubrik „Rat & Hilfe kompakt“ die Meldung:
„2009 kamen in Deutschland 1104 Senioren im Straßenverkehr ums Leben. Das sind 3,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.“
So wie das da steht, kann ich jetzt nicht unmittelbar „Rat und Hilfe“ erkennen. Und wenn wir uns diese Information einmal langsam auf der Zunge zergehen lassen, ist sie ungefähr so aussagekräftig wie „2009 kauften in Deutschland 53.550 Senioren ein Paar braune Schuhe. Das sind 3,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.“
Warum behaupte ich jetzt, dass diese Info sinnlos ist? Zahlen machen absolut gesehen wenig Sinn, sie brauchen eine Vergleichsgröße. Wenn ich euch z.B. erzähle, dass ich pro Woche 5 kg Äpfel kaufe und verzehre, dann würdet Ihr vermutlich arg staunen. Denn Ihr nehmt euren eigenen Apfelkonsum als Vergleichsgrundlage. Um die obige Information auch nur grob sinnvoll einordnen zu können, brauchen wir z.B.:
- die Zahl der in Deutschland lebenden Senioren
- ob sie als Fußgänger, Beifahrer oder Autofahrer gestorben sind
- eine Definition dessen, welcher Altersbereich hier mit „Senioren“ gemeint ist
- ein Vergleich mit einer anderen Gruppe, z.B. wie viele Kinder im Straßenverkehr ums Leben kamen
- die entsprechenden Zahlen aus mindestens zwei Vorjahren
- Und ganz wichtig: Um wie viel Zugänge die Gruppe der Senioren von 2008 auf 2009 gewachsen ist.
Gerade ohne den letzten Punkt ist dieser Vergleich nichtssagend. Wenn ich z.B. Senioren definiere als alle Menschen über 65 Jahre, dann sind zurzeit die „Zugänge“ zu dieser Gruppe ja zahlenmäßig ohnehin größer als die „Abgänge“ (= Sterbefälle). Denn genau das macht ja die allseits beklagte Alterspyramide aus – dass nämlich die Zahl der Senioren immer größer wird. Nehmen wir einmal den theoretischen Fall, dass es 2009 insgesamt 7,5 % mehr Senioren gab als 2008 – dann wäre, grob gesagt, die Zahl der Verunglückten ja sogar zurückgegangen.
Da die Zahl 1104 auch noch im Text hervorgehoben sind, soll ich das vermutlich viel finden. Kann ich nicht, da mir jede Beurteilungskraft versagt wird. Und was schließe ich daraus? Dass die Apotheken-Umschau es nicht für wichtig hält, uns mit Informationen zu versorgen, die wir dann selbst einordnen können, sondern uns nur Wissenshäppchen präsentiert und eine Schlussfolgerung ohne Denkkraft unsererseits gleich mitliefert.
Nö, danke. Ich denke gerne selbst 🙂
Du verstehst aber auch garnichts!!!
Rat und Hilfe kompakt:
Werden Sie nicht zum Senior, Ihre Apotheke hält eine Auswahl hochwertiger Anti-Aging-Mittel für Sie bereit. Ihr Apotheker berät Sie gern!
(Ist ja klar, bevor ihn der Straßenverkehr um gut zahlenden Stammkunden bringt)
Makabre Grüße
Ines
Ups, sorry, wie konnte ich mal wieder nix mitkriegen. Für unsere Senioren haben wir doch die schönen radioaktiv-versuchten Gebiete… 😉
Ebensolche Grüße z’rück
Diese Sorte Pseudo-Information, die du hier sehr hübsch auseinandernimmst, ist in den Medien leider nur allzu häufig; ich bin nicht mal sicher, ob es sich hier um Manipulation handelt oder ob die Journalisten einfach voneinander abschreiben, ohne die gemachten Aussagen auch zu verstehen.
Eine Mischung. Stünde nur der Satz einfach so da, könnte ich noch an einen Lückenfüller denken. Die betonte Zahl ist Manipulation.
Wollen Sie einen Senior entsorgen, das hier wäre eine Möglichkeit.
So wird hier Rat und Hilfe geboten.
Genau, vor die Garage schubsen oder so 👿
Pedantischer Nachtrag: Schaut man in die Studie des Statistischen Bundesamts selbst, findet man übrigens erhellendere Zahlen, die belegen, dass die über 65jährigen auf der Stra0e tatsächlich größere Gefahren laufen als jüngere:
„66 Personen je eine Million der über 65-Jährigen wurden bei Verkehrsunfällen getötet. Dieser Wert ist höher als der Durchschnitt aller Altersgruppen, der bei 51 Getöteten je eine Million Einwohner liegt.“ (Verkehrsunfälle. Unfallentwicklung im Straßenverkehr)
Danke für den Nachtrag!