Kommentar vom 24. März 2011: Vegetarier und Veganer
Heute möchte ich euch eine neue Perle der Weisheit aus der Apotheken-Umschau (März) präsentieren. Es geht einmal wieder um gesundes Leben, und speziell um das gesunde Leben von Vegetariern. Es ist zu schön, mal wieder das gesamte Un-Wissen über den Vegetarismus konzentriert in einem kleinen Artikel zu sehen. Schreiben diese Journalisten eigentlich immer wieder und immer wieder voneinander ab, sodass sich gar nichts Neues ergibt?
Vorgestellt wird u.a. eine Diabetikerin, die dank vegetarischer Ernährung ihre Blutzuckerwerte im Schach hält. Ihr Lieblingsgericht ist Paella mit Reis, Gemüse und Tofu. Super, gell? Heute isst sie vegan, und als Vorteil nennt sie: „Ich kann viel mehr essen als früher. Ich mag große Portionen.“ Hmmm. Ich bin ja auch keine bescheidene Esserin, aber mein Ideal ist es eigentlich, bescheidener zu werden, weil ich das Buch „Wir fressen uns zu Tode“ immer im Hinterkopf habe. Damit zu prunken, dass ich große Portionen verdrücken kann, finde ich nicht besonders lobenswert.
Die Experten, so wird uns berichtet, sind sich mittlerweile einig, „dass es gesund ist, auf Fleisch zu verzichten oder seinen Fleischkonsum stark einzuschränken“. Man beachte die Wortwahl. Sprache ist eine der schärfsten Waffen. Ich esse seit Jahren kein Fleisch und habe noch nicht einen Tag darauf verzichten müssen. Ich habe schon lange davor wenig Fleisch gegessen, meinen Fleischkonsum aber nie eingeschränkt.
Der Diabetologe Prof. Hans Hauner weiß noch mehr – dass nämlich eine vegetarische Ernährung eine gute Vorbeugung ist, „gegen ein gelegentliches Stück Fleisch oder Fisch sei aus gesundheitlichen Gründen nichts einzuwenden.“ Schade, dass Prof. Hauner wohl weder Wendt, Bruker noch Schnitzer gelesen hat, keine dahergelaufenen selbsternannten Ernährungsexperten, sondern ebenfalls studierte Menschen, die sehr wohl davon ausgehen, dass zu viel (tierisches Eiweiß) ein ganz wichtiger Faktor bei Diabetesentstehung und -vorbeugung ist. Ob ich ihm zu Weihnachten mal ein entsprechendes Buch schenken sollte? H. weiß auch, warum das so ist: „Schließlich liefern Rind, Huhn und Hering auch wichtige Nährstoffe: zum Beispiel Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D (Fisch) oder Eisen (Fleisch).“ Äh, Leinöl fällt mir da spontan als sehr Omega-3-Fettsäure-reich ein…
Hübsch dann auch der Passus zu Mangelerscheinungen, mit denen Vegetariar in der Regel (!) nicht rechnen müssen. Denn sie essen ja Eier und Milchprodukte. Die armen Veganer jedoch haben ein Problem: einige Nährstoffe, etwa Vitamin B12, kommen fast nur in tierischen Produkten vor. Aha. In welchen anderen Produkten denn noch? Das Thema B12 ist ja reichlich abgenudelt. Und interessant das Wörtchen „fast“. Es kommt also auch in pflanzlichen Produkten vor? Aha! Da unser Körper von B12 nur ganz, ganz geringe Mengen benötigt, ist es also nicht nötig, sich jede Woche reichlich mit diesem Vitamin einzudecken. Frische Sprossen, Sauerkraut und eingeweichtes Getreide reichen da völlig aus. Kein Wort auch davon, dass die Darmflora von Nicht-Tiereiweißessern sich ändert. Aber die Apotheken-Umschau weiß Rat:
„… wird Veganern geraten, Vitamin B12-Präparate einzunehmen oder Lebensmittel zu wählen, denen das Vitamin zugesetzt wurde, zum Beispiel Soja-Drinks mit Vitamin B12“. Toll, nicht wahr? Künstlichkeit aller Orten! Wer hat das denn wohl der Apotheken-Umschau ins Öhrchen geflüstert? Das erfahren wir sofort im nächsten Satz: „Besonders wichtig ist das für schwangere und stillende Frauen und für Kinder und Jugendliche im Wachstum“, sagt Ernährungswissenschaftler Claus Leitzmann aus Gießen. Wer jemals den industriegeschwängerten Käse gelesen hat, den Prof. Leitzmann so verfasst, aber im hübsch in hochtrabend-wissenschaftlichem Wortschatz, dreht jetzt endgültig die Ohren ab.
In dem Stil geht’s weiter. Mir rotiert der Magen in seiner Halterung. Wir Vollwertler brauchen uns übrigens keine Sorgen um unsere Eiweißzufuhr zu machen (Überschrift: Vollkorn bevorzugen), denn wir haben ja Sojaprodukte, die enthalten noch mehr Eiweiß als Fleisch oder Fisch! Na, ist das nicht fein? Claus Leitzmann hat mit der Apotheken-Umschau im Arm noch mehr Weisheiten für uns parat: „Essen soll aber nicht nur gesund sein, sondern auch schmecken“. Ich finde diesen scheinbaren Widerspruch schon merkwürdig. Wirklich schmackhaftes Essen ist gesund – denn nur verkorkste Geschmacksempfindungen werden Industriekost schmackhaft finden. „Deshalb tun sich viele Menschen schwer mit dem Gedanken, auf Fleisch zu verzichten.“ Ha, da ist es wieder, mein Lieblingswort !
Warum tun sich eigentlich so viele studierte Menschen schwer, die einfachsten Zusammenhänge zu verstehen?
Boah, was Du da alles reinliest! Ich bin ja nu auch ein Orthorektiker (musste extra mal googlen, was das überhaupt ist – und war erst geschockt, aber dann bin ich bald vor Lachen hinten runter gefallen) was Voweko angeht und lese vieles kritisch. Aber Du? Alle Achtung! 🙂 Z. B. „verzichten“ – ich habe tatsächlich ausgeblendet, dass das von Verzicht kommt! Aua! Für mich ist es bis gerade eben einfach nur gleichbedeutend mit „ich lasse es halt weg“ gewesen. Völlig gefühlsneutral. Aber für viele andere bedeutet es doch echten Verzicht mit „Schmerzen“. Da kann man mal sehen, wie wichtig es ist, vor Inbetriebnahme des Mundwerkes das Gehirn einzuschalten! Also: Herr, lass Hirn regnen! Ich brauche welches! 🙄 – Noch eine Frage, weil Du oben B12 im Zusammenhang mit dem Einweichen des Getreides erwähnst: Wenn ich von der Kollath-Tabelle ausgehe, wäre geflocktes Getreide für das FKG in Spalte 2, eingeweichtes wäre in Spalt 3. Ist das auch Deiner Meinung nach so oder siehst Du die Fermentierungsprozesse so wichtig an (z. B. wegen der „B12-Entstehung“), dass Du einweichen empfiehlst? HG Moon 🙂
Ich lese nichts hinein. Ich lese heraus 🙂
Mit dem Fermentieren bin ich mir selbst nicht sicher. Bruker sagt: ja, ist gut, entwickeln sich Enzyme; an anderer Stelle heißt es aber: Es wird nur eingeweicht, damit man es leichter verdauen kann, wer möchte, kann es auch frisch essen. In Lahnstein gab es, als ich da war, mal eingeweicht, mal Flocken. Ich denke wie so oft – hier ist Abwechslung am besten.
Hast recht: Herauslesen! 🙂
Laut Bruker-CD oder -Buch wird nur eingeweicht, weil wir alle geschädigte Gebisse haben, damit wir sie uns nicht kaputt kauen. Hm, ich flocke nur, ebenso der Rest der Familie. Zum einen schmeckt es mir einfach vorgeweicht nicht, zum anderen hatte ich das in den Anfängen (ich kannte noch keinen Flocker) sowas von oft verpeilt! 😳 Ich setzte jetzt einfach mal auf Kollath und ab und zu mal weiche ich mir ja bissi Buchweizen zum Mischen mit den Weizenflocken. 🙂 Zu gesund soll es ja nun auch nicht sein – wegen diesem Ortho-Dingsda, gelle? 😉 Ach ja, und wer will denn schon ewig leben???
Schnitzer schrotet in den Büchern frisch, auf seiner Homepage weicht er ein. Als Alternative bietet er auch das Flocken an. Nicht zu vergessen auch das Frühstück mit gekeimten Getreide, das kommt häufig zu kurz!
Na Du kennst Dich aber vorzüglich aus mit Schnitzer 😉
@bernd: Ich arbeite mich ein 🙂
Ich LIEBE Berichte über Vegetarismus/Veganismus! 😛
Meist von Menschen geschrieben, die davon meilenweit entfernt sind und deswegen auch davon ausgehen, dass es so eine Art Ersatz für die Nahrungsmittel geben muss, auf die wir selbstkasteiend verzichten.
Wenn ich kein Fleisch/keinen Fisch mehr essen möchte, brauche ich es auch nicht zu ersetzen, oder? Wahrscheinlich würde aber dann die Tofu/Soja-Industrie zusammenbrechen…
Alle Neu-Veggis/Veganer seid gewarnt! Das Outing zieht jede Menge „nützlicher“ Tipps nach sich, von Menschen, die von gesunder Ernährung keine Ahnung haben
oh ja, die heißen Tipps…. heißbegehrt, am besten hier in den Blog, damit wir eine schöne Reihe daraus machen können 😈
Den besten Tipp find ich immer noch: Dann mußt du aber aufpassen, dass du genug Eiweiß bekommst/zu dir nimmst!
(Tier)Eiweißdiäten sind ja jetzt eh modern, wer da wohl dahinter steckt…
Na klar müssen wir da höllisch aufpassen. Vermutlich werde ich deshalb so selten krank, das bisschen Eiweiß in meinem Körper kann nicht genug Viren begrüßen 🙂
Da, wieder was gelernt! Nach meinem Wissen ist der Eisenmangel das „populärste“ Problem gewesen 🙂 . Aber egal, sicher ist, wir haben auf jeden Fall irgendwelche mit unserer Halb-Ernährung.
Mein Mann (kein Veggie) erzählte gestern auf der Arbeit, es würde zum Abendessen Kartoffel-Blumenkohlauflauf geben. Prompt wurde er gefragt, was es denn noch dazu gäbe. Er „Nichts“.
Antwort: „Ja, das ist doch kein komplettes Essen!!“
Gut, dass mir das endlich mal einer sagt..
Demnach dürfte ich nur eine halbe Portion sein, da ich nie komplett esse. Hmmm, spiegel-guck….
du hast den falschen Spiegel
Ich esse falsch und habe den falschen Spiegel… da muss ich doch mal in mich gehen
gute Einstellung 🙂 es müssen immer andere schuld sein, dann gehörst du zum Mainstream
Wieder was gelernt. Mein Essen schmeckt nicht, ich über ständig Verzicht, habe Eiweißmangel und Eisen und Vitamin B12 fehlen mir auch. Mann geht es mir gut damit.
Gut, dass es die Apotheken-Umschau gibt. Dort erfahre ich ja dann auch über all die schönen Präparate gegen meinen Mangel. Besser ist vielleicht, ich esse doch mal ab und zu Fleisch und Fisch
*Kopfschüttel*
Ich bin sehr froh, endlich mal eine vernünftige Frau zu treffen, die weiß, wofür die A-U gut ist 😉