Ostermärchen Teil 2 (von 2)

30. März 2013: Das heiße Bügeleisen Teil 1

Am Abend brachte Hans den Kittel seinem Vater. Der sagte: „Die Liese kann aber prima plätten, so ordentlich habe ich noch nie einen Kittel gebügelt gesehen.“ Da sagte Hans, dass es gar nicht die Liese, sondern die Else gewesen war, die den Kittel gebügelt hatte, und der Vater legte die Hände auf die alten Augen und sagte: „Hans, du Dummkopf, mit dir wird es doch nichts mehr werden.“ Und er überließ den Jüngsten sich selbst. Der ging in den Stall und strich den Mulis über die Mäuler.

bügeleisen 1

Als es sich aber traf, dass er einmal wieder im Bäckershaus war, sah er, wie die Liese die Hemden des Vaters bügelte und wie es nicht richtig gehen wollte. Da sagte er: „Das Eisen ist ja kalt, so wird es doch nie richtig glatt.“ Und sie antwortete: „Ja, es wird nie richtig glatt, aber da hilft nichts. Aber lass mich jetzt, denn ich muss bald fertig sein, denn ich will nachher noch in den Büchern lesen.“ Doch Hans wusste – denn er hatte es bei Else gesehen – wie man das Eisen heiß machte. Der Vater, der im Schaukelstuhl am Kamin saß, denn es war Samstag, und samstags saß er immer mit seiner Pfeife am Kamin, blickte auf, als er dies hörte, ergriff die Gelegenheit und sagte zu Hans: „Zeig ihr, wie man das Eisen heiß macht, und ich will ihre Hand in deine legen.“ Hans sagte der Liese, sie solle Wasser in einem Topf zum Kochen bringen und es dann in die Öffnung des Bügeleisens schütten. Liese tat, was er gesagt hatte, und das Eisen wurde heiß und die Wäsche glatt. Der Bäcker aber stand auf und ging in seine Backstube, und Hans fragte sich, warum er nicht, wie er gesagt hatte, ihre Hand in seine gelegt hatte. Doch es macht ihm nichts, was sollte er mit ihrer Hand anfangen? Vielmehr interessierte ihn ihr Nähzeug und wie sie in der Küche das Essen zubereitete. Er ließ sich alles zeigen, und immer öfter verbrachte er nun Zeit im Haus des Bäckers und seiner Tochter. Die Väter waren zufrieden, denn dem Müller war der Taugenichts aus den Augen und der Bäcker sah seine Liese schon glücklich mit ihrem Hans und dachte nicht einmal daran, dass er dann ganz allein sein würde.

Hans aber ließ sich von Liese die Hausarbeit zeigen und war in allem sehr geschickt. Bald nahm er ihr das Nähen ab, bald das Kochen. Liese verwandte die gewonnene Zeit aufs Lesen. Nicht lange, und sie hat alle Bücher des Hauses und der ganzen Nachbarschaft gelesen. Da ging sie fort, um mehr zu lernen. Denn wen einmal der Wissensdrang gepackt hat, den lässt er nicht mehr los. „Aber dem Hans ist doch Deine Hand versprochen“, sagte der Vater bekümmert, als Liese sich zum Abschied bereit machte. „Meine Hand“ sagte sie, „braucht er nicht, er hat doch selber zwei.“ Und sie ging davon und wurde eine Gelehrte in einem fernen Land. Der Müllersjunge aber blieb bei dem guten Bäckermeister und lernte dessen Handwerk. Samstags ging er zum Pfarrhaus und trank Kaffe mit der grauen Else, die noch immer treu den Haushalt für den Pfarrer besorgte. Und als der Bäcker alt geworden war und sein Ende nahte, legte Hans ihm eine Decke um die Schultern, denn er fror auch, wenn er am Kamin saß, und er übernahm das Geschäft und machte alles sehr gut. Die Leute kamen aus der Stadt geritten, um bei ihm zu kaufen, denn nirgends schmeckten ihnen Brot und Kuchen so gut wie bei Hans.

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19 Gedanken zu “Ostermärchen Teil 2 (von 2)

  1. Marita 30. März 2013 / 19:38

    Eine sehr schöne Geschichte, die uns glaube ich sagen will,
    das ein Jeder irgendein Talent hat, manchmal noch verborgen-
    es muss nur entdeckt werden 🙂
    Allen ein schönes Osterfest

  2. Lelle 31. März 2013 / 00:28

    Ja, ich finde auch, dass es ein schönes Märchen ist und es hat auch wie alle Märchen ein „Happy End“. Das ist gut so!!!

    Frohe Ostern !

  3. Renate 31. März 2013 / 10:48

    Ich kann mich Marita und Lelle nur anschließen und wünsche allen
    Frohe Ostern

  4. Daniela 31. März 2013 / 11:31

    Sowohl die Geschichte als auch die Illustrationen sind sehr schön! 🙂

  5. Tausend 31. März 2013 / 11:33

    Danke! Schön, dass es Euch gefallen hat.

    • Daniela 31. März 2013 / 14:01

      Du bist eine hervorragende Zeichnerin! Die Illustrationen gefallen mir sehr! 🙂

      • Tausend 31. März 2013 / 14:27

        Danke. 🙂

  6. sandra 1. April 2013 / 11:15

    Auch von mir ein großes Lob. Habe das Märchen gestern schon gelesen, kam aber nicht zum kommentieren. In Jedem schlummert ein Talent. Aber man sollte auch nie Jemanden vorschnell als „linkisch“ bezeichnen. Muss gestehen, dass war mein erster Gedanke bei Hans. Ging ja sehr positiv aus, wenn auch anders als zunächst von mir vermutet 😉
    Weiter so…

  7. Tausend 1. April 2013 / 15:37

    Danke. 🙂
    Ja, es ist interessant, wie man unterschiedliche Aspekte in Texten sieht. Für mich stand zum Beispiel nicht unbedingt das Talent im Vordergrund. Der Müller interessiert sich nicht für seinen Sohn, sondern sieht nur Arbeitsqualitäten. Der Bäcker hat auch andere Pläne für seine Tochter, aber er lässt sie gehen, weil es ihr Weg ist, und er hält Hans auch für dumm, aber daran hält er nicht fest, sondern nimmt ihn bei sich auf und vertraut ihm sein Erbe an.
    Hans hätte vielleicht auch ein guter Müller werden können.

    • OneBBO 1. April 2013 / 17:13

      Ein Autor oder anderer Künstler ist sich selten immer aller Facetten oder überhaupt der „Bedeutung“ bewusst, die sein Werk dem Publikum gibt. In dem Augenblick, wo ein Werk „fertig“ ist, gehört es den Zuschauern, nicht mehr dem Künstler 🙂

      • Tausend 1. April 2013 / 17:33

        🙂 Er behält einen Teil als sein eigener Rezipient.

        • OneBBO 1. April 2013 / 17:37

          Einen kleinen Teil, ja. Vielleicht sollten Künstler prinzipiell nicht lesen, was das Publikum sagt …. dann darf er sich im Glauben wiegen, ihm gehöre noch alles 😀

          • Tausend 1. April 2013 / 17:48

            Nur wenn ihm an dem Glauben daran liegt. 🙂 In Wirklichkeit „gehört“ ein Text oder ein Gedanke ja niemandem.

          • OneBBO 1. April 2013 / 17:52

            Wie lange sind die Gedanken noch frei? 😉

          • Tausend 1. April 2013 / 18:03

            Bist Du unter die Philosophen gegangen? 😉 Die Gedanken sind nicht frei, nur zugriffsgeschützt. Aber sobald ein Wort ausgesprochen ist, ist es freigegeben und der Autor kann nicht mehr steuern, wie seine Worte interpretiert werden. Die unterschiedlichen Facetten sind interessant, sonst bräuchte man ja über Texte nie zu diskutieren.

  8. OneBBO 1. April 2013 / 18:06

    @Tausend: Meine Philosophielehrerin würde sich im Grabe 500 mal wälzen, wenn sie lesen würde, dass mich jemand verdächtigt, unter die Philosophen gegangen zu sein.
    Wie sähe die Welt wohl aus, wenn niemand mehr über Texte diskutieren würde? Eine rein praktische Frage, ohne jeglichen (!) philosophischen Anklang.

    • Tausend 1. April 2013 / 18:40

      Das musst Du von jetzt an immer dazusagen. ;-D
      Ich hoffe, Deine Philosophielehrerin hat keinen Geist, mit dem sie in der Welt herumspazieren und Gespräche mitlesen kann, denn sonst müsste sie sich jetzt 500 Mal drehen. Das täte mir sehr leid, denn in so einem Grab ist ja nicht viel Platz.

      • OneBBO 1. April 2013 / 18:47

        Ich fühle mich eigentlich unmitbelesen, was natürlich ein Irrtum sein könnte.

        • Tausend 1. April 2013 / 19:03

          Gerade bei Geistern weiß man nie.

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