16. Mai 2013: Nervsäcke, Ihr könnt mich mal, ha 🙂 Eine Buchbesprechung
Barbara Berckhan: Wie Sie anderen den Stachel ziehen…
Der volle Titel des Buches heißt: „Wie Sie anderen den Stachel ziehen, ohne sich zu stechen: Mit schwierigen Menschen gut auskommen“ (ISBN 978-3-8338-2738-9 Gräfe & Unzer, 14,99 Euro). Es ist mir unverständlich, wie man ein Buch mit einem solchen Titel auf den Markt bringen kann. Gut, dass Online-Shops einfach Suchfunktionen haben, wo ich mit Nachnamen und dem Wort „Stachel“ das Buch finden konnte…
Ich hatte vor einigen Jahren beschlossen, keine Ratgeber mehr zu lesen. Wozu auch? Sie treffen nie die eigene Situation, gehen immer haarscharf daran vorbei, was ich zu leisten bereit bin und malen die Welt in einfacheren Farben. Wieso also der Umschwung?
Wenn ich morgens aufstehe, gibt’s eine Runde Trimmrad. Und sonntags passiert es mir häufig, dass ich in die Sendung von Gisela Steinhauer im WDR 2 gerate, die oft interessante Interviews führt. Und an einem Sonntag nun hatte Frau Steinhauer Frau Berckhan zu Gast und sprach mit ihr über das neue Buch. Frau Berckhan fand ich im Interview natürlich, sie hat keine Angst, sich auch selbst ein wenig humorvoll zu betrachten. Die Beispiele, die sie über den Umgang mit schwierigen Menschen gab, waren wirklich anschaulich. Also habe ich das Buch gekauft.
Bevor ich zum Inhalt komme: Ich finde das Layout des Buchs einen absoluten Horror. Ich bin aus dem Kinderbuchalter wirklich heraus und brauche keine Comics, die mir das Lesen erleichtern. Vor allem nicht, wenn sie in Farbe und Gestaltung eher ungelenken Höhlenmalereien als gekonnten Zeichnungen ähneln. Auch mag ich diesen modernen Trend nicht, Zeilen bis auf doppelten Zeilenabstand auseinanderzuziehen. Als sei alles vergessen, was es doch an Untersuchungen zur Lesbarkeit von Texten gibt! Die Überschriften in gesperrter Schrift, auch das ist igitt. Titel und Gestaltung bekommen also von mir schon mal ein fettes, dickes Minus. Davon unbeirrt, habe ich dennoch gelesen 🙂
Frau Berckhan hat einen sehr angenehmen Schreibstil. Sie kann sich klar ausdrücken, sie braucht keinen Psychofachjargon (sie ist Pädagogin und Psychologin), um ihre Botschaft an den Mann und die Frau zu bringen. Dabei ist sie locker, wie schon im Interview humorvoll und gleichzeitig auch bei der Sache. Insoweit habe ich das Buch wirklich gerne gelesen.
Bis zur Hälfte / zwei Dritteln etwa war ich auch inhaltlich sehr begeistert. Die Vorstellung der schwierigen Menschen ist prima, wir können sie direkt vor uns sehen. Auch die Beispiele (dieser Schreibstil ist ja dem Amerikanischen entlehnt) gefallen mir.
Womit ich nicht so viel anfangen kann, ist dieses Bemühen um Ausgeglichenheit. Nachdem sie den schwierigen Typus jeweils vorstellt und Hilfestellung gibt, wie wir damit umgehen, kommt immer ein Passus, wo der Leser quasi der schwierige Typus ist und es werden auch hier Ratschläge gegeben, wie „ich als Leser“ mich bessern kann. Da schwierige Menschen sich selbst selten als solche erkennen, finde ich das im Grunde überflüssig. Wer schon seine Schwächen in einer dieser Richtungen erkannt hat, wird vom ersten Teil genug lernen können. Nahezu künstlich ist für mich dann der jeweils dritte Teil, wo es darum geht, was wir von dem entsprechenden schwierigen Typ auch lernen können. Ganz simples Beispiel: Jemand redet furchtbar viel. Was kann ich davon lernen, mehr zu reden? Nun, ich kann mich besser durchsetzen. Das ist jetzt sehr vereinfacht dargestellt. Das mag alles so sein, aber dafür habe ich dieses Buch nicht gekauft.
Wenn ich ein Buch darüber lese, wie ich mit schwierigen Menschen auskomme, will ich das lesen, was vorne drauf ist, und nicht, was ich davon profitieren kann. Sonst hieße das Buch besser „Mit schwierigen Menschen gut auskommen und von ihnen lernen“. Dann wäre ich gewarnt gewesen 😉 Nachdem also etliche dieser Typen vorgestellt wurden, folgt noch ein Schlusskapitel, wie wir mit schwierigen Menschen auskommen, die nicht im Buch beschrieben sind. Ein guter „Kniff“, den Fehler zu umgehen, den so viele Ratgeber machen (siehe oben) 🙂
Nach etwa der Hälfte bis zwei Drittel des Buchs war ich auch dieses streng durchgezogene Schema ein wenig Leid, und daher habe ich dann nicht mehr mit so viel Begeisterung gelesen. Was schon durchblicken lässt: Einige Teile habe ich wirklich sehr gerne gelesen. Ich denke auch, dass jeder Leser durch diesen Blick in den schwierigen Menschen, den Frau Berckhan stets zu finden sucht, wenn er solche Menschen in seinem Umfeld hat, etwas lernen kann…. wenn er denn möchte. Ohne eine solche Bereitschaft, seinen Blickfeld zu weiten und den „verhassten Nervsack“ mal ein wenig aus Distanz zu betrachten, nützt natürlich auch das beste Buch nicht. Und bei aller Kritik: In diesem Problemfeld ist es für mich ein sehr gutes für uns Alltagsmenschen.