Jalousie im Ärztekopf

Ärzte haben Erfahrungswerte, das glaube ich. Manchmal aber bilden sich aus diesen Erfahrungswerte Vorurteile. Dann sieht das so aus, dass du zum Arzt (gilt selbstverständlich auch für Ärztinnen 😉 ) gehst, er sieht dich an – und schon geht das Rollo im Kopf runter:

  • „Übergewicht = daher kommen die Beschwerden“
  • „Raucher = daher kommen die Beschwerden“
  • „Alter > 60 = da gibt es nur die Krankheiten, die bei älteren Menschen eben nun mal vorkommen“

Gerade in jüngster Zeit habe ich es immer wieder gehört, speziell von älteren Frauen, dass in vielen Arztköpfen Muster vorliegen und dass sie keine Lust haben, darüber hinaus zu untersuchen. Egal, was du sagst.

Eine Bekannte erzählte mir, dass du als Frau über 75 Jahre und dann möglichst noch alleinstehend, sofort hörst: „Sie ernähren sich nicht richtig!“. Das ist ja jedem klar, dass so eine Frau nicht mehr ordentlich isst, nicht kocht, nichts Frisches usw. Und damit ist die Jalousie herunter, andere Beschwerden werden erst gar nicht mehr berücksichtigt.

Versuche mal einen Arzt zu finden, der darüber hinaus dann an dir Interesse hat. Schönes Beispiel ist auch Haarausfall. Frau, über 60, Haarausfall? Zink, Schilddrüse, Hormone alle in Ordnung? Na, dann ist die Sache ganz klar, da erstellen wir keine Anamnese mehr, da verschreiben wir gleich das Standardmittel. Egal, was die Frau über ihre Lebensumstände sagt. Das ist dann ein androgen-genetischer Haarausfall. Und dann ist ganz egal, ob alle deine Vorfahren bis ins hohe Alter einen vollen Schopf hatten. Das ist egal, ob dein Haarausfall untypisch ist. Das ist alles egal. Dich untersucht niemand weiter, denn du bist eine Frau über 60. Da gibt es nichts anderes.

Sowas gilt natürlich auch für den Kreislauf. Ich habe zum Beispiel einen niedrigen Blutdruck, immer schon gehabt und ich habe ihn immer noch. Und zwar wirklich niedrige Werte (wem es was sagt: 96/56 mmHg und Ähnliches). Dann verschreibt mir ein Arzt ein Mittel, dass als Nebenwirkung eine Absenkung des Blutdrucks hat. Aber natürlich hat der Verschreiber sich vorher nicht informiert, ob ich vielleicht niedrigen Blutdruck habe, denn ich bin über 60, da hat man immer hohen Blutdruck.

Als ich mit vierzig Jahren beim Optiker war, weil ich die Augen überprüfen lassen wollte, war dem schon klar: Spätestens in zwei Jahren brauchen Sie eine Lesebrille. JEDER über 40/42 braucht eine Lesebrille. Übrigens: Ich lese heute noch ohne Brille. Na sowas aber auch.

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Schokolade schadet nicht, im Gegenteil!

Kommentar vom 2. April 2010: „Schokolade“

Zu Ostern gibt’s Ostereier, das ist so richtig was für Vollwertler: Hühnereier und Schokoladeneier. Zur Schokolade gibt es zurzeit wieder eine große Kampagne, wie gesund sie ist. Natürlich in Maßen genossen…. Da beziehe ich mich einmal auf einen kleinen Artikel in der Tageszeitung vom 30. März, Überschrift „Schokolade löst keine Migräne aus„. Eine Studie (was sonst) hat herausgefunden, dass die Migränepatienten selbst häufig Nahrungsmittel als Auslöser überschätzen. Das ist schon einmal immer gut, wenn bewiesen werden kann, dass Patienten gar nichts wissen über sich selbst. Nicht, was sie krank macht, und wer kennt nicht den Satz „Das kann nicht weh tun“?

Wir erfahren auch ein ganz klein bisschen darüber, wie die Studie durchgeführt wurde: Es gab nämlich zwei Gruppen von Patienten, „Beide Gruppen bekamen in einer Blindverkostung einmal Schokolade und einmal einen Ersatzstoff.  Zwischen den Gruppen wurden keine Unterschiede festgestellt – die Migräneattacken traten ähnlich häufig auf.“

Das finde ich ja echt köstlich, nein nicht die Schokolade. Sondern: Was für ein Ersatzstoff wurde den Teilnehmern denn gegeben? Etwas, das aussieht und schmeckt wie Schokolade, aber keine Schokolade ist, müsste das sein. Sonst wäre es keine Blindverkostung. Blind in Studien bedeutet nämlich nichts anderes, als dass niemand weiß, was echt ist und was nicht echt.

Und hier ist für mich der Knüller. Ohne zu wissen, was dieser geheimnisvolle Ersatzstoff ist, kann ich doch gar keine Schlüsse ziehen. Ein Placebo unterscheidet sich normalerweise vom echten Medikament dadurch, dass es alle Bestandteile des Medikaments enthält außer dem Wirkstoff. Das heißt, ein Schokoladenersatzstoff müsste alles enthalten, was eine normale Schokolade enthält, außerdem dem Schokoladenwirkstoff. Ja, und was ist das bitte schön? Was ist der Wirkstoff in Schokolade: der Kakao, der Zucker, die Emulgatoren, die Trockenmilch, der Soyabestandteil? Wäre es Kakao, hätte die Studie herausfinden müssen, dass Kakao keine Migräne verursacht. Es wird aber eindeutig von Schokolade gesprochen. Was wurde zum Süßen des Ersatzstoffes genommen? Süßstoff? Zucker?

Ich bin fassungslos bei so viel Unwissenschaftlichkeit, die hier einmal wieder mehr unkritisch vorgestellt wird.

Das zweite Beispiel schickte mir eine Blogleserin als Link: Schokolink. Hier werden wir gleich beeindruckt: „Ernährungswissenschaftler [beobachteten] über eine Dauer von mindestens zehn Jahren die Lebensweise und Gesundheit von mehr als 19.300 Erwachsenen zwischen 35 und 65 Jahren. Diejenigen, die am meisten Schokolade aßen (im Schnitt 7,5 Gramm pro Tag), hatten einen niedrigeren Blutdruck und ein um 39 Prozent vermindertes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden als diejenigen, die mit durchschnittlich 1,7 Gramm pro Tag am wenigsten Schokolade aßen“. Ich meine: zehn Jahre lang beobachten und dann soooo viele Erwachsene, das muss doch wissenschaftlich sein, oder? Mir fällt nur auf, dass überhaupt keine Gruppe gar keine Schokolade gegessen hat. Gibt es die Menschen nicht? Ebenso fällt mir auf, dass wir ansonsten auch nichts über diese Menschen erfahren. Wie wurde sichergestellt, dass es sich hier nicht um einen zufälligen Zusammenhang handelt? Haben diese Menschen wirklich diese ganzen zehn Jahre lang immer gleichmäßig Schokolade verzehrt? War das bei allen Altersgruppen gleich? Auch wieder lauter Fragen (deren Reihe ich fortsetzen könnte), ohne deren Beantwortung das Ergebnis doch mehr als fragwürdig ist.

Ach ja… wer hat eigentlich diese beiden Studien finanziert? Würde mich ja mal interessieren.