Angst vorm Altwerden

Kein Wunder, finde ich, dass es so etwas wie Altersdiskriminierung (Ageism) gibt. Wenn ich in der Literatur schaue, was Autoren über das eigene Älterwerden schreiben, kann einem echt gruseln. Was sollen junge Leute denke, die z.B. Elke Heidenreichs „Alles kein Zufall“ lesen und dreimal erfahren, wie Heidenreich Angst vorm Alter hat. Sie ist irgendwas über die siebzig, also wenige Jahre älter als ich.

Ich habe das Buch gestern beendet und mich wieder geärgert. Ich kann Angst vor Krankheit, Armut (die dürfte Heidenreich nicht haben, das meine ich ohne Neid), Einsamkeit haben. Ich kann es aber auch lassen und einfach das sehen, was ich heute habe. Ich kann Angst vor dem Atomkrieg, Hungersnöten, Vandalen und Exorzismus haben. Ich kann es aber auch lassen und genießen, wie gut es mir heute geht.

Mitreden kann ich. Hierzu ein Zitat aus dem Focus (hier):
Junge Alte sind Menschen zwischen 60 und 74 Jahren. Betagte und Hochbetagte Menschen befinden sich im Alter zwischen 75 und 89 Jahren.

Ich bin also eine junge Alte. Gut zu wissen. Ich bin die letzten Jahre keineswegs immer gesund gewesen. Aber das liegt doch nicht am simplen Altwerden, sondern daran, was meine Gene und mein Leben mir jetzt auf einem Teller präsentieren. Einiges, was um mich herum passiert (mein Motto ist immer noch Frieden schaffen ohne Waffen!), finde ich auch wenig gut und es könnte beängstigend sein. Aber solange ich nicht in der Kristallkugel die Zukunft exakt ablesen kann, erhalte ich mir meinen realistischen Optimismus. So nenne ich das mal.

Ich habe keine Angst vorm Altwerden. Ich möchte nicht verarmen, ich möchte nicht an einer schrecklichen Krankheit dahinsiechen. Das sind u.a. Dinge, die ich nicht möchte. Aber ich verderbe mir doch den Alltag nicht, indem ich ständig mir selbst einrede, dass ich mich vor dem Alter fürchte. Ich möchte gern alt werden, dabei möglichst gesund bleiben. Ein völlig normaler Wunsch. Und bevor ich mir vor lauter Angst eine barrierefreie Wohnung anmiete oder einen Treppenlift einbaue, freue ich mich einfach, dass ich Treppen munter auf und ab gehen kann.

Das Altwerden bringt auch Gutes. Das wird meist nur am Rand erwähnt. Und Altwerden ist nicht gleichzusetzen mit Demenz!

Liebe Älteren, die Ihr schreibt und sprecht, verängstigt doch die Jugend nicht so mit eurer ständigen Altwerdensphobie.

Werbung

Eine neue Erklärung für Alzheimer

26. Juni 2015 (fr) Alzheimer Demenz

Schon vor vielen Jahren habe ich in diesem Blog Neal Barnard mit einem Video vorgestellt. Letztlich entdeckte ich auf der Facebook-Seite von Karin Müller ein weiteres hochinteressantes Video mit Neal Barnard als Vortragendem. Es sind nicht nur die Tatsachen hochinteressant, sondern Barnard ist auch ein phantastischer Redner, ihm zuzuhören macht einfach Spaß.

Leider gibt es das Video nicht mit Untertiteln, also nur auf Englisch.

40, 50, 60, 70 oder 80 Jahre: na und?

Kommentar vom 27. Juli 2009: Runde Geburtstage

Heute eine Annonce im Familienteil des RGA:

60 Jahre, ach du Schreck,
die Jugend und der Lack sind weg.
Knochen knacken – Muskeln drücken,
manchmal hast du’s mit dem Rücken.
Hattest Höhen und auch Tiefen,
warst stets da, wenn wir Dich riefen.
Denn das eine sollst du wissen,
bleib uns treu, sonst sind wir aufgeschmissen.
Wir wünschen Dir von Herzen Glück,
Du bist und bleibst das beste Stück.

Solcher Art Anzeigen gibt es gerne zu runden Geburtstagen, vornehmlich ab 40 und besonders natürlich für Frauen. Das Schlimme daran ist, dass die Betroffenen darüber lachen und denken, DAS sei Humor und wenn sie nicht auf diese Weise über sich selbst lachen könnten, dann seien sie humorlos. Es gibt noch schlimmere Ausgaben, so wurde z.B. der 50. Geburtstag einer Bekannten mit einer Auto-Inspektion verglichen (natürlich nicht bei einem Neuwagen mit 2 Jahren Laufzeit).

Wie soll sich diese Frau auch nur noch einmal mit Freude im Spiegel beschauen und denken, dass sie attraktiv und ansehnlich ist? Als kranke Hülle wird sie dargestellt, von der der Lack abplatzt. Wenn dieser Frau wirklich Knochen und Muskeln weh tun, ist es an der Zeit, dass liebende Verwandte ihr vielleicht einen Feldenkrais-Kursus schenken. Wer glaubt, dass dieses Geburtstagskind nach Lesen der dritten Zeile wirklich noch Freude hat, der irrt. Sie wird der Familie vorspielen, dass sie das lustig findet, während ihr ein Kloß im Halse sitzt. Sie sollte aufstehen, der Familie die Zeitung um die Ohren knallen und den Tag alleine oder mit einer guten Freundin verbringen.

Und auch hier geht es wieder um den Respekt vor dem Alter, der im kleinen ansetzt. Wenn ich schon meine eigene Mutter / Schwester / Freundin so herabwürdige, wie ein Stück Möbel, wie kann ich da selbst Respekt erwarten, wenn ich einmal älter werde?

Jedes Jahrzehnt hat seine Stärken. Sehr aufschlussreich ist da die Lektüre von „Beweglich sein, ein Leben lang“ von Thomas Hanna (vordergründig ein Feldenkrais-Buch), der diverse Untersuchungen zitiert, wo gezeigt wird, dass die allgemeine Ansicht „ab 25 geht’s bergab!“ nicht stimmt. Gewisse Dinge sind erst viel später wirklich auf der Höhe – sprachliche Fertigkeiten z.B. ab dem 5. Jahrzehnt.

Hanna zeigt da auch eine schöne Übereinstimmung mit Bruker: Es gibt keine Alterskrankheiten per se. Nicht das Alter macht uns krank, sondern die Art und Weise, wie wir die Jahrzehnte davor verbracht haben. Das glaubt natürlich heute kaum noch einer, wo es uns von Ärzten, Medien und lieben Freunden ja ständig klar gemacht wird, dass das Alter (wie auch die erwähnten Wechseljahre) mehr oder weniger eine Krankheit ist. Und weil es so viele, viele alte gebrechliche und demente Menschen gibt. Keiner aber fragt, warum sie in diesem gesundheitlichen Zustand sind und warum in anderen Kulturen alte Menschen verehrt wurden (und das sicher nicht, weil sie furchtbar krank und verwirrt waren).

Natürlich werden wir alle älter, hoffentlich alt bei guter Gesundheit. Aber wenn wir uns solcherlei Dinge wie dieses Gedicht gefallen lassen, wenn wir selbst in die Falle tappen und Sprüche loslassen wie „Ach ja, ich werde alt“ (Antwort: Na, das hoffe ich für dich!) oder „Ja, das ist der Alzi“ – da kann das angeblich noch so lustig gemeint sein, es ist eine negative Programmierung.

Mit Würde älter werden ist etwas anderes. Es heißt nicht, krampfig um Jugendlichkeit bemüht sein, nicht Resignation in Krankheit und Gebrechlichkeit. Älter werden mit Würde heißt für mich, akzeptieren, dass die Jahre hinzu kommen, dass der Körper sich verändert, dass ich täglich mehr hinzulerne – dass ich jeden Tag mehr Respekt vor mir haben kann für das, was ich in den Jahren davor geleistet habe und diesen Respekt auch von anderen erwarte.

An meinem letzten runden Geburtstag bin ich mit meiner Klavierlehrerin in ein Wellnesshotel gefahren. Das war eine tolle Erfahrung, wir haben beide viel Spaß gehabt. Freunde und Familie waren etwas enttäuscht…. ich will nicht hoffen, weil sie sich jetzt die kleinen vorbereiteten Gedichte verkneifen mussten 🙂