13. August 2012: Ansichtssache…
Statistiken sind wichtig, für Befürworter und Gegner eines Themas gleichermaßen. Wichtig zur Auswertung von statistischen Zahlen ist erst auch einmal die Kenntnis der Randbedingungen. Da stelle ich leider immer wieder fest, dass die Medien uns Ergebnisse vor die Augen setzen, ohne Hintergrundmaterial mitzuliefern und wir gleich eine fertige Interpretation mitbekommen, die wir gar nicht überprüfen können. Wir können uns auch ansonsten kaum Gedanken zu solchen Zahlen machen.
Der zweite Schritt bei der Nutzung von Statistiken ist eben ihre Auswertung. Und da stieß ich einmal wieder im Prisma, der wöchentlichen Beilage der Tageszeitung, bei Herrn Dr. Wolfgang Oestreich – den ich hier schon einige Male vorgestellt habe – auf eine, wie ich finde, waghalsige Interpretation.
Es geht im um den Wert der Narkose. Nun, dass ich dankbar bin, dass mir als Kind der Blinddarm unter Vollnarkose herausgenommen wurde und auch der Zahnarzt keine Krone ohne Betäubung gesetzt hat, ist ohne Frage. Den negativen Einfluss der Vollnarkose auf den Gesamtkörper in der Langzeitwirkung, wie ihn die Homöopathie beschreibt, kennt er nicht. Gut, er ist Schulmediziner. Oestreich lobt also nun die Narkose, weil sie Eingriffe erlaubt, die früher nicht möglich waren. Auch okay. Dann kommt ganz am Ende (Seite 50) der schöne Absatz:
„Ein Beleg ist die zunehmende Zahl operativer Eingriffe auch bei älteren und mehrfach erkrankten Patienten. Während 2006 rund 190.000 über 80-jährige Patienten in Deutschland an den Verdauungsorganen operiert wurden, waren es 2009 schon mehr als 300.000 Fälle.“
Er meint also, dadurch sei bewiesen, dass die hierzulande so sichere Narkose hilfreiche Eingriffe ermöglicht, die es früher nicht gab. Als erstes kam mir folgende Frage in den Sinn: Wie viele über 80-jährige lebten denn 2006 im Vergleich zu 2009? Vermutlich wird der Unterschied nicht 110.000 Fälle betragen, aber hier ist jede Zahl von Bedeutung. Weiterhin wäre zu fragen, ob es sich in allen Fällen um erfolgreiche Eingriffe handelt, oder ob das Verhältnis „Zahl der Operationen“ zu „Gewünschtem Therapieerfolg“ gestiegen, gleich geblieben oder gesunken ist. „Die Verdauungsorgane“ sind ein sehr vager Begriff, hier müsste unbedingt differenziert und dann verglichen werden! Vielleicht sind nur kleine Eingriffe mehr geworden? Und noch eine große, große Frage bleibt, aber die Hoffnung, dass die ein Schulmediziner wie Dr. Oesterreich stellt, kann ich wohl begraben: Wie viele der Eingriffe in 2006 waren wirklich nötig, und wie sieht dies in 2009 aus? Und warum gibt es keine Vergleichszahlen für 2010 und 2011?