1. Feb. 2016: Brief an die Klinikgruppe der Reha-Klinik
Ich stellte bereits den Gastbeitrag zu einer Reha-Klinik vor. Am 11.1. hat derjenige einen Brief an die Leitung der Klinikgruppe geschrieben. Eine nichtssagende Antwort kam dann 2,5 Wochen später. Ihr könnt dieses Schreiben am 4. Feb. auf diesem Blog lesen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
XXX war vom 8.12. bis zum 30.12.2015 in einer Ihrer Kliniken zur Rehabilitation. Von ärztlicher und pflegerischer Seite war alles bestens, sowohl was die Kompetenz als auch was die Freundlichkeit anbetrifft. Dies fand XXX so, und auch ich sah das bei meinen Besuchen bestätigt.
Aber, und jetzt kommt ein großes Aber: Alles, was das Essen in Ihren Kliniken betrifft, ist kontraproduktiv für die Gesundheit, speziell für Herzkranke, die häufig auch an Diabetes leiden. Als ich mich über das Essen beschwert habe, bekam ich die Antwort: Das wird zentral von der Klinikgesellschaft geregelt.
Daher wende ich mich heute an Sie.
Als ich XXX gebracht habe, habe ich mir ein Mittagessen bestellt. 8,60 Euro für ein vegetarisches Gericht namens „Bandnudeln mit Mandelpesto“. Was war es? Spaghetti in einer öligen Soße, ein unappetitlicher Berg auf dem Teller (s. Anlage 1).
Ich konnte das nicht essen, nicht so sehr wegen des Aussehens, sondern wegen des Geschmacks – und ich war hungrig! Ich habe XXX immer samstags besucht, dem Eintopftag. Die Eintöpfe sahen schon gruselig aus. Ich habe mir mein Essen dann – Böses ahnend – immer mitgebracht.
Die armen Vegetarier dort bekommen am Donnerstag immer eine süße Hauptspeise mittags. Wieso gehen Sie davon aus, dass Vegetarier gerne Süßes als Hauptspeise essen (auch „toll“ für Diabetiker, die vegetarisch essen möchten)? Die anderen beiden Wahlmöglichkeiten hatten niemals eine süße Hauptspeise. Veganer haben dort gar keine „Essensüberlebenschance“.
Die Salatbar war okay – abgesehen davon, dass die Schüsselchen die Größe von Fingerhüten haben. Bei meiner 8,60-Euro-Mahlzeit habe ich gefragt, ob es auch Salatschüsseln in vernünftiger Größe gäbe? Antwort: „Wenn Ihnen das nicht reicht, können Sie gerne zwei nehmen.“ Ich nahm drei und es war eigentlich immer noch nicht genug. Mal ganz abgesehen davon, dass das Dressing natürlich süß war – mit Sicherheit nicht mit Honig gesüßt.
Herzkranke sollen viel Obst und Gemüse essen. Dazu wird man durch Ihre Menüangebote nicht angeregt. Auch die Empfehlungen zur Salzmenge (1 Teelöffel pro Tag!) werden weder durch die Speisen noch den Salzstreuer am Tisch gefördert.
In Vorträgen in der Klinik erfuhr XXX, dass bei Herzerkrankungen nicht mehr als 2 x pro Woche Fleisch gegessen werden sollte. Es gab jeden Tag Fleisch (oder Fisch), wenn man nicht das käseüberladene und zuckerreiche (= fette) vegetarische Menü wählen wollte. Mal abgesehen von den dubiosen Aufschnitten am Abend.
Direkt vor dem Speisesaal stehen zwei Automaten: einer mit Softdrinks von Coca Cola bis zu (zuckrigen) Säften und prall gefüllt mit Süßigkeiten und Chips (nicht einmal Salzstangen, die wenigstens nicht so fettig sind) (s. Anlage 2),
der andere mit diversen Heißgetränken wie Kaffee, Kakao und Fertigsuppen (s. Anlage 3).
Ich finde das keine Methode, um Patienten zu motivieren, das Süße drastisch zu reduzieren und sich insgesamt gesünder zu ernähren. Dies ist nicht nur meine Meinung, sondern entspricht auch dem Stand der Wissenschaft, sowohl was die Empfehlungen der DGE (Deutschen Gesellschaft für Ernährung) als auch die der modernen amerikanischen Erkenntnisse (China Study, Forks Over Knives) besagen.
Neben dem Klinikeingang ist eine Art Kiosk, in dem man sich etwas zu essen kaufen kann. Die Mahlzeiten in der Auslage sind abstoßend, wenn man gesundes Essen gewohnt ist: fetttriefende Fleischspeisen in Brötchen gezwängt, mit Zuckerguss und Creme überquellende Kuchen. Immerhin, ein Lob: Es war mir möglich, ein trockenes Brötchen zu kaufen! Allerdings nur auf Nachfrage, ausgelegt waren sie nicht.
XXX hatte Zugang zu einem besonderen Aufenthaltsraum. Er wurde XXX am ersten Tag gezeigt und so konnte ich mir auch ein Bild machen: ein Tisch voller abgepackter kleiner Fertigkuchenstücke, eine Auswahl an Fruchtsäften (keine reinen Fruchtsäfte, also gezuckert) und ein Kaffeeautomat. Muss ich dazu noch etwas sagen?
Bevor man in die Klinik aufgenommen wird, erhält man ein Schreiben, in dem der Patient gebeten wird mitzuteilen, ob er eine besondere Ernährung benötig, z.B. als Diabetiker. Ich habe angerufen und mitgeteilt, dass XXX Diabetes hat. Mit welcher Konsequenz? Es gab keine. Es gibt keine fettarmen, salzarmen (nicht ungesalzenen), nicht einmal zuckerfreien Mahlzeiten dort. XXX war nach einer Bypass-OP in Ihrer Klinik. Jedem medizinisch Interessierten oder Kundigen ist bekannt, dass man nach einer solchen OP nicht nur körperlich mehrere Wochen benötigt, um sich zu erholen. Das heißt, XXX wäre völlig überfordert gewesen, von den Essensangeboten das Richtige auszuwählen. Und da ist XXX sicher nicht der einzige Mensch. Ich habe einfach darauf vertraut, dass mein mitgebrachtes frisches Obst XXX irgendwie über die drei Wochen bringt. Immerhin hat XXX deutlich abgenommen, da XXX häufig einfach gar nichts gegessen hat. Wir beide mögen keinen Eintopf, der aussieht wie Wirsingstücke in einer Wasserbrühe mit undefinierbaren braunen oder rosa Stückchen (s. Anlage 4, um ein Beispiel zu nennen).
Bei allem Verständnis für Wirtschaftlichkeit – so kann es doch nicht gehen. Was werden die meisten Patienten wohl an Eindrücken von gesunder Ernährung mit nach Hause nehmen: Das, was sie in einem Vortrag gehört haben, oder das, was sie mehrere Wochen lang jeden Tag und in Automaten und Aufenthaltsräumen zu essen angeboten bekamen?
Mit freundlichen Grüßen