Degenerierte Gesellschaft

Heute Morgen, WDR 2, so zwischen 5 und 6:15 Uhr, kam eine Meldung zu den verfallenden Milchpreisen. Was kann man dagegen tun, fragte die Moderatorin. Antwort: Mehr Milch kaufen. Was damit tun? Eine Expertin gab Rat: Man kann damit z.B. auch baden – 3 bis 4 Liter vollfette Milch ins Badewasser, das ist wunderbar.

Wenn in einer Gesellschaft Lebensmittel – von der Herkunft dieser Milch von gequälten Kühen will ich hier gar nicht sprechen – zum Baden empfohlen werden, damit die Preise nicht fallen, ist etwas ganz, ganz verkehrt.

Mir dreht sich da alles.

 

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Noch gibt es deutsche Landwirtschaft!

Kommentar vom 28. Juni 2010: „Rettet die deutschen Kartoffeln!“

Wenn wir nicht aufpassen, gibt es bald keine deutschen Kartoffeln mehr. Aha, denkt Ihr jetzt, Ute macht mal wieder ein kleines Scherzchen und versucht uns zu erheitern. Sorry, das tue ich diesmal nicht. Es ist eine völlig humorlose Bemerkung, die aufgrund einer logischen Gedankenkette entstanden ist. Wie bin ich dazu gekommen, dass mir um die Kartoffel so mulmig wird?

Ich habe ja schon mehrmals erwähnt, dass ich regelmäßig aus einem Bioladen eine Biogemüsetüte bekomme, ich bitte dabei immer um preiswertes deutsches Gemüse und Sonderangebote. Im Winter schüttel ich manchmal den Kopf, wenn ich Paprika, Zucchini und Tomaten vorfinde. Anlass dafür, dass ich nun aber einmal aktiv werden wollte, war ein Wirsing in der Tüte der 3. Juni-Woche. Nee, also wirklich. Kein Salat, dafür ein Wirsing und ein Blumenkohl – etwas, das ich gerne im Winter sehe und selten bekomme! Da mein Bioladen stets sehr zuvorkommend ist, tollen Service anbietet und dessen Besitzer, Andreas Jäger, schon lange in der Bioszene aktiv ist (ich glaube mehr als 25 Jahre) und ständig ums Überleben kämpft, bemühe ich mich nie zu meckern. Letzte Woche machte ich bei meiner Bestellung also eine kleine Notiz:

Gerne habe ich heimisches preiswertes Gemüse und Sonderangebote. Wichtig ist mir auch Gemüse der Saison, d.h. Wintergemüse im Winter und Sommergemüse im Sommer. SALAT bitte nicht vergessen!

Als ich die Tüte bekam, lag ein Zettel bei, auf dem die „Packerin“ einen kleinen Vermerk gemacht hatte:

(Leider) verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen „Winter“ + „Sommer“-Gemüse, fast alles gibt es ganzjährig. Die Sonderangebote vom Großhändler gelten meist für Importware. Heimisches Gemüse ist oft teuer …. Ich versuche aber beim packen Ihre Wünsche zu berücksichtigen!

Wieder einmal sehr nett und zuvorkommend, und so rief ich an, wollte mich bei ihr bedanken und das nochmals mit ihr absprechen. Am Telefon erwischte ich Herrn Jäger, der mir die Sachlage nochmals erläuterte. Der Großhändler Dennree liefert fast ausschließlich Importware, deutsches Gemüse ist teurer als das aus dem Ausland. Und „wenn meine Kunden im Januar Trauben kaufen sollen, was soll ich machen?“ Richtig, ein Ladenbesitzer soll ja kein „Volkserzieher“ sein. Die Bioszene geht den Bach runter, meinte ich. Herr Jäger ist da hoffnungsvoller, er meint, auf den Tagungen usw., die er häufig besucht, gibt es noch genügend „echte“ Bioenthusiasten. Traurig sei aber auch, dass viele Kunden gar nicht mehr wüssten, was ein Sellerie ist oder was man aus einem Weißkohl alles machen kann. Schaurig! Im Moment kaufe ich übrigens auch meine Kartoffeln nicht mehr im Bioladen – deutsche Lagerware gibt es nicht mehr, nur noch ägyptische Kartoffeln.

Dazu kam dann letztlich hier auf dem Blog noch eine kleine Diskussion über Importware auf. Dürfen wir Bananen noch mit gutem Gewissen essen? Vielleicht eine blöde Frage, denkt mancher, denn Bananen sind ja aus unserem Leben kaum wegzudenken. Aber ich habe das einmal zu Ende gedacht: Was könnten wir wirklich noch essen, wenn wir uns strikt regional ernähren wollen? Nüsse? Da bleiben jedem noch 3 oder 4 Haselnüsse, der Rest wird importiert. Sonnenblumenkerne kommen nicht aus Deutschland, Hülsenfrüchte wie Erbsen oder Bohnen sind chinesischen oder türkischen Ursprungs, Kartoffeln kommen weite Strecken des Jahres aus Ägypten, Israel oder Malta. Ich erwähne mit Bedacht genau diese importierten Dinge, weil es sich um Lebensmittel handelt, die noch vor wenigen Jahrzehnten hier in Deutschland wuchsen und produziert wurden. In meiner Jugend gab es deutsche Haselnüsse, die Erbsen zum Trocknen wurden selbstverständlich auch hier gezogen. Das heißt, es gibt schon viele Lebensmittel, die einmal regional waren und jetzt nur noch über Importe zu beziehen sind. Ich finde das enorm erschreckend.

Daher mein Gedanke: Wann wird die Kartoffel auch diesen Weg gegangen sein? Wann werden nur noch ein paar wenige Bauern deutsche Luxuskartoffeln anbauen, weil sie mit der Importware nicht konkurrieren können? Wann wird kein deutscher Apfel mehr auf dem Markt verkauft und müssen wir chilenische Tafeläpfel verzehren, während die deutsche Apfelproduktion nur noch in verzuckerte Säfte einfließt? Wann wird Spargel wie Mangos aus Pakistan eingeflogen?

Daher: Wir dürfen die deutsche Produktion nicht im Stich lassen. Egal ob Bio oder zurückhaltend-konventioneller Anbau: Nur wenn wir die ägyptischen Kartoffeln im Regal vergammeln lassen, wenn wir der Versuchung widerstehen, schnell zum großen chilenischen Apfel zu greifen – nur dann hat die deutsche Landwirtschaft noch eine Chance. Und ein Land ohne Landwirtschaft, die ihre Bürger sättigen kann, ist ein abhängiges Land.