Neue Kartöffelchen

9. Juni 2016: Die Kartoffelfrage

Als ich klein war, war Pfingsten so ein Essensmittelpunkt. In den Monaten Mai/Juni gab es Erdbeeren, Spargel und neue Kartoffeln. Meine Mutter zuckerte die Erdbeeren, sodass sie nach einer Weile in einer süßen Brühe herumsuppten. Ich mochte das damals schon nicht, aber die Familie war anderer Meinung. Auch das ewige Spargelessen mit Sauce Hollandaise, zerlassener Butter und gekochtem Schinken hing mir zum Halse raus. Meine Bemühungen, doch mal Variationen in das Spargelessen zu bringen, hatten bei meiner Mutter keine Chance 🙂 Das ist schade, denn meine Mutter war eine hervorragende Köchin. Ihr Heringsstip war im Bekannten- und Freundeskreis nahezu legendär, ihre Bratensoßen ziehen mir heute noch durch die Nase. Was ich aber in der Zeit wirklich sehr genoss, waren die neuen Kartoffeln.

Wir waren nicht arm, aber auch nicht reich, und so wurde im Mai/Juni nicht automatisch auf die neuen Kartoffeln umgeschwenkt. Im Keller lagerten Kartoffeln, die aufgebraucht werden wollten. Aber sonntags, wenn der Spargel auf den Tisch kam, unterschied er sich vom Spargel unter der Woche durch frische Kartoffeln. Einfach herrlich.

Auch Jahre später habe ich mich jeden Frühsommer auf die ersten Kartoffeln gefreut.

Dies ist nun seit einigen Jahren vorbei. Besonders dieses Jahr fiel mir das auf.
Dass im Januar und Februar die Kartoffeln importiert werden aus fernen Landen, ist ja schon nicht mehr ungewöhnlich, auch wenn ich mich nach wie vor strikt weigere, Kartoffeln aus Israel oder Ägypten auf den Tisch zu bringen, egal ob Bio oder Nicht-Bio.

Dieses Jahr nun aber komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus: Ich habe noch keine neuen Kartoffeln aus deutschen Landen gesehen. Vielleicht gibt es sie in Spezial-Delikatessenläden, aber ich habe nur Zugriff auf einen „normalen“ Supermarkt, diverse Discounter und natürlich den Bioladen.
Wo sind die deutschen Frühkartoffeln geblieben?

Ein ähnliches Phänomen fürchte ich nun auch für Bohnen, egal ob Busch- oder breite Bohnen. Seit 3 oder 4 Wochen liegen sie im Regal, ich freue mich – und dann sind sie aus dem Senegal oder Marokko. Da sträubt sich mir alles. Ich kaufe gerne Datteln aus Tunesien oder dem Iran, denn dort sind sie heimisch und belasten die dortige Landwirtschaft nicht übermäßig. Aber Bohnen aus dem Senegal? Ist das nicht ein enorm trockenes Land und Bohnen gedeihen doch nur mit einer gewissen Feuchtigkeitsmenge? Das heißt, hier wird der heimischen Landwirtschaft, die an die Gegebenheiten angepasst ist, Wasser, viel Wasser entzogen, das dort gebraucht wird.

Gibt es in Zukunft gar keine deutschen Bohnen mehr? Baut sie niemand mehr an und warum nicht? Ich finde solche Gedanken belastend.

Es nützt mir auch nichts, wenn jemand, der ländlicher oder besser mit landwirtschaftlichen Produkten versorgt lebt, sagt: „Ja, ich bekomme das aber ohne Problem.“ Ich aber nicht! 🙂 Ich fahre auch nicht 2 Stunden mit dem Auto durch die Gegend, um 300 g heimische Bohnen kaufen zu können.

Hier läuft etwas falsch, ohne dass ich das jetzt analysieren möchte („die Käufer sind schuld, sie wollen nur billig kaufen“, „die Bauern sind schuld“, „der Handel ist schuld“ usw.).