Kommentar vom 6. Juli 2009: Frauen und Kofferpacken
Fast so schön wie Studien sind ja repräsentative Umfragen. Repräsentativ heißt, dass das Kollektiv – die befragte Gruppe – so ausgewählt wurde, dass sie die Gesamtbevölkerung vertreten kann. Wie wackelig das schon ist, können wir uns gut vorstellen.
Heute, am 6. Juli, stieß ich im RGA auf den Artikel „Jede zweite Frau stresst Kofferpacken“. Das fand ich auf Anhieb interessant, denn ich gehöre zur Portion der Gestressten, für mich ein Grund, gerne daheim Urlaub zu machen.
Die Zahlenentwicklung ist im Artikel schon sehr interessant. In der Überschrift ist es jede zweite Frau (= 50%), im ersten Satz des Artikels ist es noch „knapp jede zweite Frau“ (das hieße für mich 48 oder 49%). Ja, und im nächsten Satz kommt’s dann: 40,5%. Das ist nicht knapp 50%, sondern deutlich weniger! Womit die Überschrift lügt und der erste Satz genauso. Mit gleichem Recht hätte ich sagen können „jede dritte Frau ist gestresst“, denn 40,5% ist sogar noch näher an 33% (Unterschied: 7,5%) als an 50% (Unterschied 9,5%!).
Bei den Männern so erfahren wir nun, sind es nur 27,5%, die es stressig finden, Hosen, Shirts und Schuhe in den Koffer zu packen. Man beachte, wie hier schon unterschwellig darauf hingewiesen wird, wie bescheiden Männer ihre Koffer packen. Schade, dass sie wohl die Zahnbürste vergessen. Mit so einem Koffer-Mann möchte ich allerdings meinen Urlaub nicht teilen.
Auf die Gründe für diesen Unterschied wird nicht eingegangen. Es wird uns nichts gesagt über die befragte Altersgruppe. So ist für mich ganz offensichtlich, dass viele Frauen, vor allem junge Mütter, nicht nur ihre eigenen, sondern auch die Koffer für ihre Kinder packen. Häufig auch noch für ihre Männer mit. Und natürlich bin ich gestresster, wenn ich für andere mitpacken muss als nur für mich alleine.
Befragt wurden 1059 Frauen und 997 Männer. Oha, das ist ein Unterschied von 62 Frauen zu Männer, also ein Unterschied von fast 6%. Wieso wurden die Gruppen nicht gleich groß gewählt?
Auftraggeber ist das Magazin „Apotheken Umschau“. Die Apotheken-Umschau ist so ein Blättchen, das in der Apotheke für die Kunden umsonst ist – der Apotheker muss es allerdings bezahlen. Das Niveau würde ich so auf Regenbogenpresse in Gesundheitsfragen einstufen. Das was die Apotheker dafür bezahlen, wird die Zeitschrift (oder wie es hier so gehoben heißt „das Magazin“) kaum finanzieren können, daher finden wir zahlreiche Anzeigen der Pharmaindustrie vor.
Nun ist ein solches Magazin ja nicht launig und macht eine Umfrage nur so zum Spaß. Sie wollen ein Ergebnis, und mit dem Ergebnis wollen sie etwas anstellen. Meistens soll mit Umfragen etwas besser verkauft werden. Da rätsle ich nun. Was war denn die Fragestellung, die die Apotheken Umschau mit dieser Umfrage hat beantworten wollen? Gibt es demnächst Antistresspillen speziell für die kofferpackende Frau?
All dies verrät dieser Artikel uns nicht. Eigentlich – verrät uns dieser Artikel bzw. diese Umfrage mal wieder gar nichts, außer dass der Artikel sich von der Überschrift bis zum zweiten Satz schon selbst in Lügen verheddert.