Nestle und Rapunzel

Kommentar vom 15. April 2011: Spekulationen im Internet

Herumspekulieren und Verschwörungen erahnen ist etwas Herrliches. Das macht mehr Spaß, als trockene Zahlen zu lesen. Daheim im Kreise der Familie ist das völlig okay. Doch wenn ich etwas im Internet entdecke, werde ich doch immer misstrauischer. So las ich letztlich mit Erstaunen in einer frohen Internetrunde die Frage, ob Rapunzel nun zu Nestle gehört, angeblich seien 51% von Rapunzel in Nestle-Hand. Dies verbreitet, so der Informant, ein kleiner Ölmüller auf den Rohkostmessen.

Es wäre natürlich nicht erfreulich, wenn Nestle jetzt Rapunzel mit Stimmenmehrheit besäße. Da dachte ich: Besser als Leute zu fragen, die es auch nicht wissen, frage ich doch einfach mal bei Rapunzel selbst.

Sehr geehrte Damen und Herren,
vor wenigen Tagen las ich in … Spekulationen darüber, ob Rapunzel neuerdings zu Nestle gehört.
Ich bevorzuge Wissen statt Spekulation. Ich meine mich zu erinnern, dass Rapunzel wohl nicht mehr von den Originalgründern geführt wird und von einem Konzern aufgekauft wurde.
Zu welchem Konzern gehört Rapunzel jetzt? Und hat dieser Konzern bzw. Rapunzel irgendwelche Verbindungen geschäftlicher Art mit Nestle?
Vielen Dank im Voraus für eine klare offene Antwort 🙂

Heute erhielt ich Antwort:

Sehr geehrte Frau Wilkesmann,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an Rapunzel.
Rapunzel hat nie zu Nestle gehört und wird es auch in Zukunft nicht sein. Uns sind auch keine geschäftlichen Beziehungen zu Nestle bekannt.
Im Jahr 1990 wurde Rapunzel Naturkost in die Geschäftsform einer Aktiengesellschaft umgewandelt. Hauptaktionär mit Aktienmehrheit war und ist unser Firmengründer und Geschäftsführer Joseph Wilhelm.
Rapunzel hat nie einem Konzern gehört.
Da diese Firmenform zwar der Kapitalbeschaffung dient, aber andererseits in der Verwaltung finanziell sehr aufwendig ist, hat Joseph seit mehreren Jahren an einer Umwandlung der AG in eine GmbH gearbeitet mit Aktienrückkäufen, professionellen Störern bei Hauptversammlungen usw. Jetzt scheint aber alles in Ordnung zu gehen und Rapunzel wird demnächst eine GmbH.

Es ärgert mich immer wieder, wie diese Gerüchteküche tobt, einer vermutet was – andere tragen es vielleicht irgendwann als Wahrheit weiter. Einer liest eine fragende Vermutung, der nächste gibt noch die Frage weiter, beim Übernächsten wird das schon als Wahrheit verbreitet. Und keiner hakt nach?

Deshalb: Wenn ich etwas lese, was mir wichtig erscheint, frage ich ab sofort nach, denn es ist jetzt schon das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit, dass ich völlig haltlose Behauptungen widerlegt sehe.

Es scheint überhaupt eine neue Masche zu sein, bewährte Ölmühlen durch bösartige Gerüchte anzuschwärzen. Ist das neue Werbung? Denn der offenbar verschwörungstheoretisch begabte kleine Ölmüller raunte auf der Messe nicht nur über Nestle, sondern auch, dass Rapunzel-Olivenöl immer gepanscht sei.

Vermutlich wird das Olivenöl bei Rapunzel auch mit Unkenknochen und Spucke um Mitternacht verrührt 😉

Studie zum Einkaufsverhalten

Kommentar vom 16. August 2009: Frauen sind Einkaufsstrategen

Dies ist nicht etwa meine Meinung, sondern die Überschrift eines großen Artikels (3/4 Seite) in der Freitagsausgabe (14.8.) des Remscheider Generalanzeigers. Und was haben wir hier, juchhu? Mal wieder Ergebnisse einer Studie.

Auftraggeber dieser Studie ist die Firma Nestle. Wobei ich richtig gerührt bin, dass Nestle sich jetzt so Sorgen um uns Verbraucher macht, ob wir auch gesund genug essen.

Die Ergebnisse der Studie, die ich im Folgenden kurz zusammenfassen werde, sind einfach sensationell:

Frauen legen beim Einkauf Wert auf Qualität und Gesundheit, haben einen Einkaufszettel dabei und kochen zu Hause häufiger als Männer, auch wenn diese Frauen arbeiten gehen. Männer sind im Supermarkt eher ziellos, achten selten auf gesunde Ernährung und essen auch als Singles lieber Fertiggerichte.

Da kann ich ja mal wieder nur sagen: Potzblitz!! Wer hätte das gedacht? Wer hätte dieses Ergebnis in einer Kultur erwartet, in der Frauen traditionsgemäß für die Ernährung der Familie und die „Aufzucht“ der Kinder verantwortlich sind?

In einem Kästchen am Ende werden die Ergebnisse zusammengefasst. „Jeder Vierte isst zu fett, zu viel Süßes und zu unregelmäßig.“ Zu fett? Kein Unterschied wird gemacht zwischen gesundem Fett oder ungesundem Fett. Und schon gar nicht wird uns verraten, was denn zu fett im Gegensatz zu „mit der richtigen Fettmenge“ sein soll. Ebenso gilt das für „zu viel Süßes“. Da wird mit Maßstäben gemessen, die vor uns geheimgehalten werden bzw. es wird so getan, als wenn jeder weiß, was damit gemeint ist. Dabei ist der optimale Fettgehalt der Ernährung ein ganz besonders umstrittener Punkt.

„Insgesamt ernährt sich rund ein Fünftel der Bevölkerung falsch“ (und was ist bitte richtig? Das heißt meiner Einschätzung nach, das vier Fünftel der Bevölkerung sich richtig ernähren, also vollwertig? Das glaube ich kaum!), „hat Gewichtsprobleme“ (auch hier werden wieder Maßstäbe angelegt, die nicht offen dargelegt werden, ist hier z.B. nur Übergewicht oder auch Untergewicht angesprochen?), „treibt wenig Sport“ (was ist viel, was ist wenig? Was ist mit Sport überhaupt gemeint?) und „ist nur wenig bereit, seinen Lebensstil zu ändern“. Letzteres stimmt. Wobei ich das für einen menschlichen Grundzug halte.

Ansonsten werden wir reichlich mit Zahlen gefüttert, vor denen wir ehrfürchtig stehen sollen. Immerhin erfahren wir ein Detail über die Durchführung der Studie: „4000 Verbraucher wurden zu ihrem Ernährungs- und Einkaufsverhalten befragt“.

Wir erfahren nicht, wie viele Fragen es waren, ob es offene oder Multiple-Choice-Fragen waren, ein Life-Interview oder Fragebögen. Wir wissen nicht, ob es eine für Deutschland insgesamt repräsentative Umfrage war, wie viele Männer, wie viele Frauen  in welchen Altersgruppen befragt wurden.

Auch ist hier eines gar nicht berücksichtigt: Dass Befragte nicht immer die Wahrheit sagen. Wenn ich nämlich z.B. an meine Erfahrungen aus dem Supermarkt denke, kann ich die Ergebnisse der Studie gar nicht teilen. Ich sehe nämlich immer mit Staunen, wie gerade Mütter mit kleinen Kinder den letzten Schrott aus ihren Wägelchen auf das Band legen. Frisches finde ich da nur selten, eingepackt und vorgefertigt ist Trumpf. Auch hat wohl niemand nachgehakt, was jemand meint, wenn er sagt: „Ich koche zu Hause!“ Es gibt Leute, und dies ist kein Scherz, die glauben, wenn sie eine Fertigpizza noch mit Extrakäse belegen und in den Ofen schieben, dass sie selbst kochen. Welche Frau wird denn zugeben, dass sie zum Stillhalten der lieben Kleinen kein Obst, sondern lieber drei Tafeln Kinderschokolade kauft? Frauen „wissen“, was ihre Verantwortung ist, und lassen sich  bei ihren Antworten davon garantiert leiten.

Ich liebe Studien. Sie kosten viel Geld und sagen uns gar nichts. Wobei ich nicht glaube, dass die Firma Nestle ihr Geld zum Fenster rauswirft. Ich denke nur, dass sie uns kaum erzählen werden, was sie mit dieser Studie wirklich herausfinden wollten 🙂

Die Schlankmacherschokolade

Kommentar vom 17. Juli 2009: Eine neue Schokolade aus der Schweiz

Quelle: RGA vom 16. Juli 2009, Überschrift: „Schweizer entwickeln kalorienarme Schokolade„. Und Unterüberschrift: „Barry Callebaut hat ein Kakaoprodukt erfunden, das nicht dick macht und außerdem hitzebeständig ist.“

Wie schön, dass die Lebensmittelindustrie voller kreativer Köpfe steckt. Auch die Journalisten, die darüber berichten, sind sehr kreativ, indem sie einfach Kenntnisse, die Allgemeingut sind, ignorieren. Man beachte nämlich schon gleich in der ersten Zeile das „kalorienarme“. Ich werde ja nicht müde, darauf hinzuweisen, dass der Kalorienbegriff veraltet ist. Nicht nur in Vollwertkreisen! Ich weiß nicht mehr wo, aber ich habe einmal gelesen: Wenn wir den Kalorienbegriff mit dem Wert der Nahrung gleichsetzen, können wir den Wert von Teakholz daran messen, welchen Heizwert es beim Verbrennen hat. Ein schöner Vergleich.

Auch in der Unterüberschrift outet sich wieder Unkenntnis – das hat sich ebenfalls in konservativen Kreisen bereits herumgesprochen, dass die sogenannten Light-Produkte überhaupt nicht zum Gewichtsverlust beitragen. Sonst müsste Deutschland schon ein Volk der Dünnen sein.

Nach der haha-lustigen Einleitung, wie Schokolade im Sommer schmilzt (man könnte sie natürlich in den Kühlschrank legen, um das zu verhindern, aber das erfordert eine gewisse Denkarbeit) und dem Hinweis auf die knapp sitzende Bade- oder Bikinihose durch Schokoladengenuss, geht’s dann an die Fakten. Herr Callebaut hat nämlich eine Schokolade entwickelt, die nur noch 90 % der Kalorien einer handelsüblichen Schokolade haben soll.

Anders herum gesagt: Der Kaloriengehalt ist also 10 % geringer als vorher. Welche Sensation. Welche Ersparnis.

Wenn wir also sonst eine Tafel Schokolade mit 560 Kilokalorien (kcal) verschlingen, sind es bei dem neuen Produkt nur noch 504 kcal. Da können wir glatt noch eine ganze Gurke zusätzlich essen, die wir eingespart haben. Und wegen dieser lächerlichen 54 kcal weniger setzen wir nun kein Fett mehr an? Wenn wir das jetzt mal auf einen Riegel umrechnen, wird das Verhältnis noch alberner. Da ist dann nicht mal mehr Platz für eine zusätzliche Gurke. Was für eine Augenwischerei! Ist das kritischer Journalismus?

Ja, und das Tolle an dieser Schokolade ist: Es werden keine Ersatzstoffe benutzt! Wie beeindruckend: Die schädlichen Bestandteile der Schokolade werden also nicht durch noch schädlichere ersetzt. Der Schokoladenneuerfinder hat schon eine eigene Pressesprecherin – dann ist man ja ein gemachter Mann, und die sagt „Vulcano ist nicht so cremig wie Milchschokolade und schmeckt eher wie Krokant.

Nun bin ich vollends verwirrt. Da kommt ein neues Produkt auf den Markt, das im Grunde genauso viele Kalorien hat wie normale Schokolade, nur dass es noch stärker industriell verarbeitet ist, außerdem schmeckt es anders als Schokolade und ist auch nicht so cremig.

Wer wird denn diesen Schrott kaufen wollen? Zielgruppenländer sind Indien, China und das südliche Europa. Afrika fehlt noch, da testet Nestle (für die Firma Nestle produziert Callebaut bereits) doch sonst so gerne seine Produkte aus.

Prozentrechnung ist in Journalistenkreisen offenbar kein Pflichtfach. Sonst wäre der Schreiberling vielleicht selbst schon drauf gekommen, dass 10 % weniger Kalorien bei Schokolade im Gesamtessensplan (selbst wenn wir Kalorien mal zählen wollen) praktisch keinen Unterschied machen, es sei denn, wir ernähren uns täglich von 3 oder 4 Tafeln Schokolade.