20. Dez. 2013: Organisation des Vollwertlebens: 5. Teil Rohkost & Veganismus
Wer in die Vollwert einsteigt, sagt manchmal: Puh, so viel Rohkost kann ich nicht essen. Der routinierte Vollwertler lächelt darüber, das ist aber nicht nett – denn angefangen haben wir doch alle einmal.
Einfach ist das für die, die sowieso kleine Salatmonster sind, das trifft für mich zum Beispiel zu. Wer bisher quasi keinen Salat gegessen hat, sollte sich klarmachen, dass auch das Frischkorngericht viel Rohkost enthält. Gerade Anfängern sei die Sahnebeimischung empfohlen, der auf Zivilisationskost eingestellte Gaumen kann mit dem Fettgeschmack mehr anfangen. Auch hier ist es, so finde ich, für den Anfang wichtig, dass wir nicht gleich die wildesten Experimente starten, sondern mit eher Gewohntem beginnen. Auch wenn ich mittlerweile Tomaten im Winter meide – am Anfang aß ich eben durchweg Salate mit Chinakohl, Möhren (die ich immer sehr gerne gegessen habe), Tomaten und Gurke. Da soll man sich jetzt nicht unbedingt von den weiter Fortgeschrittenen aufschrecken lassen, die rufen: Um Himmels Willen, wie unsaisonal, Tomaten im Winter!
Auch die Vollwert-„Regel“: Rohes vor dem Gekochten! ist für den Anfänger eine große Hilfe. Ob man das dann später auch immer konsequent so handhaben will, ist jedermanns eigene Entscheidung. Es müssen ja auch nicht gleich drei Tonnen sein. Was am Anfang ganz wichtig ist, dass wir das Ziel „ich will 50 % Rohkost am Tag erreichen“ immer vor Augen haben, auch wenn es vielleicht vier oder fünf Jahre dauert, bis wir dort angekommen sind. Sich zufrieden zu geben mit „naja, ich esse mittags ein Tellerchen Salat und abends noch drei Möhren vor dem Hauptessen“ ist nicht okay 🙂
Ein guter Schritt ist es, eine der Hauptmahlzeiten als Rohkost zu gestalten. So esse ich mittags beispielsweise eine recht große Schüssel Rohkost und anschließend etwas Brot.
Wer sich bei Bruker auskennt, wird über die 50 % stolpern und sagen: Ey, Bruker sagt 30 %! Richtig, aber er spricht von gesunden Menschen. Hand hoch, bitte, wer von sich behaupten kann, dass er noch nicht von der Zivilisationskost vorgeschädigt und kerngesund ist? 🙂
Wer zur Vollwert kommt, wird häufig auch dadurch verunsichert, dass die Rohkost als die optimale Ernährungsweise angepriesen wird. „Schon Kneipp hat mit Rohkost geheilt!“ Wenn ich einen verdorbenen Magen habe, bekommt mir Haferbrei am besten. Dennoch käme ich nie auf die Idee, jetzt nur noch von Haferbrei zu leben 🙂 Weil die Rohkost momentan modern ist, meinen manche dann, sie müssten letztendlich bei Rohkost landen, und wenn sie das nicht tun, könnten sie sich nie optimal ernähren. Sorry, das ist ein Gerücht, das Rohköstler aufgebracht haben, aber das nicht wirklich bewiesen ist. Lasst euch von dem modernen Hype nicht verunsichern! Ich habe genug gehört und gesehen, um zu wissen, wie unaufrichtig die meisten Rohköstler (große Namen eingeschlossen) sind. Sie propagieren die 100%ige Rohkost und wenn du sie zum Essen einlädst, grabschen sie sich als erstens die Süßigkeiten, die so herumstehen. Wer Rohköstler werden möchte – bitte schön, nichts dagegen. Aber ich lasse es mir nicht als das Non-Plus-Ultra vor die Nase hängen. Genauso wie ich eine 100%ige vegane Kost nicht für das unbedingt Ziel halte. Ja, mehr Rohkost, weniger Tierprodukte, alles sehr gut. Aber nur weil jemand mal – so er denn gesund ist – ein Stück Käse isst, finde ich nichts dabei. Milchprodukte im Allgemeinen sind problematisch, das aber nicht wegen der Gesundheit, sondern wegen der heutigen Massentierhaltung etc.
Meine Meinung ist da ganz klar: Vollwertigkeit ist eine Ernährungsweise, die ideologiefrei ist. Oder sein sollte! Dass das mancherorts wie ein Glaubensbekenntnis gefeiert wird, mag sein, ist aber nicht Sinn der Sache und auch nicht im Sinne Brukers. Rohkost und Veganismus sind mehr als Ernährung, sie beinhalten immer auch eine gewisse Weltanschauung. Das finde ich relativ gefährlich, weil Fanatismus und Unwahrheit drohen.
Der Anfänger sollte sich auch hier nicht blenden lassen: Ziel der Vollwerternährung ist weder die 100%ige Rohkost noch die 100% vegane Ernährung. Viele Dinge sind sinnvoll (z.B. Tiereiweißfreiheit), müssen aber nicht mit dem Knüppel ins eigene Leben geprügelt werden. Eine konsequente Vollwerternährung unter Vermeidung der Zivilisationskost führt automatisch zu einem hohen Rohkostanteil und einem sehr geringen Tiereiweißanteil. Wer krank ist, lebt je nach Krankheit sicherlich 100% tiereiweißfrei besser. Das ist aber etwas anderes! Experimente mit tiereiweißfreier Ernährung (mal 2-3 Wochen komplett ohne) oder Rohkost (zwischen 1 und 21 Tagen) sind spannend. Aber das muss nicht alles gleich im ersten halben Jahr sein. Wer sich einmal meine Rezepte aus den Jahren 2005 und 2006 ansieht, versteht sofort, was ich meine. Schmand, Sahne, Butter… fließen in reichen Mengen. Heute kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen. Aber das ging ganz von alleine, das war eine automatische Entwicklung, zu der ich mich nie gezwungen habe.