Kinder und Spinat

Kommentar vom 22. März 2010: „Der Blubb“

Morgens nach dem Auftstehen schwinge ich mich fast täglich 30-40 Minuten aufs Trimmrad. Da das an sich eine monotone Sache ist, höre ich Radio dabei. So bleibe ich musikalisch auf dem Laufenden 🙂 Manchmal bekomme ich dann auch Werbung mit. So auch letzten Samstag. Ich weiß nicht mehr genau, wie der Text geht, aber irgendso eine quängelnde Kinderstimme schlug dann in freudig-dankbar und begeistert um, als der Spinat mit dem Blubb serviert wurde. Klar, was da abgeht: Es wird auf das alte Märchen angespielt, dass Spinat wegen des hohen Eisengehalts so besonders gesund ist. Der Komma-Schreibfehler in einer wissenschaftlichen Untersuchung ist zwar hinlänglich bekannt als Grund für diese Meinung, aber gänzlich ausgerottet ist es noch nicht. Also kann die Tiefkühlfirma das weiter nutzen.

Wir hören nun die glückliche Mutter, die so begeistert ist, dass ihr Kind gar nicht genug von diesem Spinat bekommen kann. Und dann sagt sie, so halb scherzhaft-klagend, nicht zum Kind, sondern „vertraulich“ zu uns Radiohörern: „Manchmal denke ich nur, lass mir doch auch was über!“.

Ich weiß, das soll witzig sein. Es gibt so Stellen, wo mein Humor aussetzt. Was sind das denn für verquaste Kinder, die uns hier als Vorbilder präsentiert werden? Sie essen ihre Lieblingsspeise ohne Rücksicht auf andere, die vielleicht auch etwas davon haben möchten. Dass es sich hierbei um eine Art gesund-kindlichen Egoismus handelt, mag ja sein. Dass aber eine Mutter das noch lustig findet und sich nur im Stillen wünscht, sie möge auch noch etwas abbekommen, kann mich in Rage bringen. Die Werbung wäre genauso lustig gewesen, wenn die Mutter eingeschritten und gerufen hätte: „Hallo, mein Kleiner, denk mal dran, dass andere auch noch davon essen wollen“.

„Ute, bist du da jetzt nicht ein bisschen pingelig?“ mag der eine oder andere da denken. Nein, bin ich nicht. Eine Gesellschaft, in der ein solches Kinderverhalten korrekturlos als lustig präsentiert wird, muss sich dann bitte nicht wundern, wenn sie eine Schar von Egoisten großzieht, die nicht mehr teilen können oder wollen und für die Rücksicht ein Fremdwort ist.

Ich bin  in einer Zeit groß geworden, als viele Dinge noch nicht selbstverständlich waren, die heute zum Alltag gehören. Gerne von mir zitierte Beispiele sind die Apfelsinen und die Schokolade, die nicht frei verfügbar waren, sondern gleichmäßig auf alle Familienmitglieder verteilt wurden. Ich bin froh, dass ich Teilen gelernt habe. Nicht wie viele Kinder heute, die eine Tafel Schokolade (auch das noch…) geschenkt bekommen und sie wie selbstverständlich als ihr alleiniges Eigentum betrachten. Kinder, die natürlich einen eigenen Fernseher haben, damit nicht gar abgestimmt oder abgesprochen werden muss, was die Familie gemeinsam guckt. Wobei das natürlich auch viel Bequemlichkeit der Eltern ist, weil sie sich dann nicht mit quängelnden Kindern herumärgern müssen.

Gerade in einer Zeit, wo uns immer wieder klar gemacht wird, dass die Luxuszeiten bald vorbei sind, täten wir gut daran, unsere Kinder wieder ans Teilen und das Verzichten ohne Verzicht (das gibt es durchaus auch!) zu gewöhnen. Das macht nämlich dankbarer, wenn man als Erwachsener einen gewissen Luxus sein eigen nennt.

Und erlaubt mir noch eine letzte humorlose Anmerkung: Würde die Mutter Spinat frisch kaufen und selbst kochen, könnte sie statt fertig abgepackter Ware so viel (und viel gesünder) kochen, dass es für alle reicht 🙂