Das ist ein scheußliches Wort, obwohl es einen so schönen Klang hat: pal – lia -tiv. Leider bedeutet es einfach: Hier ist das Ende schon nahe, medizinische Einrichtungen können keine Heilbehandlung mehr anbieten, sie können nur lindern.
Jetzt stellt man sich das immer, weil ja das Wort so milde klingt, so vor, als liegt die Mutter friedlich auf dem Sofa, sie hat Krebs im Endstadium und sie dämmert so vor sich hin. Ab und an kommt die Tochter, der Sohn oder eines der Enkelkinder und gibt ihr ein paar Schmerztabletten. Mit dieser lindernden Behandlung gerät die alte Damen sanft in das Jenseits.
So ist das nicht. Früher war alles besser, weil die Menschen noch zu Hause starben, d.h. in Würde? Nein, das trifft leider nicht zu.
Ein Freund von mir wohnt nur zwei Häuser entfernt von seiner Mutter, sie ist 77 Jahre alt. Er ist alleinstehend, Einzelkind. Die beiden haben ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis. Im Sommer wird bei der Mutter ein Merkelzelltumor diagnostiziert. Die entsprechende Stelle wird operiert, bestrahlt und man hofft auf Heilung. Die Mutter kam wieder zu kräften, fuhr noch mit einer Freundin in den Urlaub nach Bern.
Vor wenigen Wochen bekam die Frau Knoten in der Brust, eine Beule am Kopf und sie litt unter Völlegefühl. Die übliche Ärztetour inklusive einer OP am Kopf ergab: alles Metastasen, keine Heilung möglich, nur palliative Behandlung.
Mein Freund fuhr noch mit ihr zu Heilpraktikern, anderen Ärzten, aber es half nichts. Binnen kürzester Zeit baute sie mehr und mehr ab, hatte keinen Appetit mir, höllische Schmerzen im rechten Arm, von denen niemand feststellen konnte, woher sie kommen. Sie baut täglich immer mehr ab. Zwei Nächte hat sie ihn angerufen, weil ihr so schlecht und die Schmerzen so schlimm waren. Er hat ihr Medikamente gegeben und ist bei ihr geblieben.
Zum Glück war sie noch einmal so klar, dass die beiden ein klärendes Gespräch führen konnten. Sie hat sich entschieden, lieber ins Krankenhaus zu gehen und sich dort „palliativ“ behandeln zu lassen.
Ist das jetzt moderne Unmenschlichkeit? Oder ist es für beide besser, wenn sie sich bis zum sicher kurz bevorstehenden Ende professionell versorgen lässt? Wenn sie nachts aufwacht, ringt der Freund nicht mehr hilflos die Hände, weil er nicht weiß, wie er ihr helfen kann.
Jeder Erwachsene, der einen Verwandten zum Sterben in ein Heim einweist, wird mit der Entscheidung zu kämpfen haben. Meiner Meinung nach tut er das Richtige, vor allem für seine Mutter. Das sage ich ihm auch.
Es ist im Grunde eine schreckliche Geschichte, aber leider auch alltäglich. Jemanden lieben, heißt in meiner Vorstellung nicht, dass ich denjenigen krampfhaft zu Hause pflege.