Ich stehe vor dem Sparkassenautomaten. Noch bekommt man Geld an Automaten, auch wenn ständig welche gesprengt werden. Ich habe schon Spekulationen gelesen, dass man das Geldabholen am liebsten komplett auf die Supermärkte verlagert. Werden dann Supermärkte in die Luft gesprengt?
Meine Handtasche hat etwa neun Einzelfächer. Die wichtigen Karten sind immer vorn drin, aber die Sparkassenkarte ist in einer Metallhülle in einer Seitentasche untergebracht. Gern vergesse ich dann schonmal nach Abschluss des Abhebevorgangs diese Seitentasche wieder zu schließen. Das kann auch zu Herzklopfen führen, das ich über mich ergehen lassen und auf den Augenblick warte, dass es endlich abklingt.
Der Automat steht vor mir, kühl und teilnahmslos. Sein großes Maul ist noch geschlossen, er blinkt mich an. Ist das ein Flirtversuch oder eine Bedrohung? Ich schaue mich verstohlen um. Zum Glück bin ich allein in der Halle mit den Geldautomaten. Zwar werde ich sicherlich von einer Kamera beobachtet, aber ich hoffe, das ist ohne Tonaufnahme. Ich summe leicht vor mich hin, um die Maschine zu beruhigen.
Ich merke wie mein Gesicht sich rötlich verfärbt. Ich bekomme Angst, denn dieser Automat will etwas von mir. Ich glaube nicht mehr an einen Flirt. Er fordert mich nun auf, einen Betrag einzugeben. Ich überlege kurz, der Automat tut geduldig. Ich tippe „200“ (Euro) ein. Auf seinem riesigen Auge stellt er mir Fragen. Und befiehlt mir, die Karte einzuführen. Ich kenne diese Automaten, sie schlucken Karten! Meine Hand zittert. Ich suche nach dem Schlitz. Wie kann man ein Auge, ein großes spuckendes Maul und dann noch eine weitere Schlitzöffnung zum Füttern haben?
Jetzt will er meine Geheimzahl. Wie intim ist das denn? Ich schäme mich und mit der Hand über der Tastatur gebe ich die Eins, die Zwei, die Drei und die Null ein. Es klackert gefährlich, das große Auge ist wie tot. Es überläuft mich kalt. Gleich, ich weiß es, gleich wird er mich aus seinem großen Maul anspucken und mir weiß auf rotem Grund befehlen, das Geld zu entnehmen.
Ich halte mich fest. Ich nehme das Geld aus dem Maul, der Automat hält die Scheine noch zwischen den Zähnen, ich reiße es heraus. Dann streckt er mir eine rote Zunge entgegen, die sich als meine Karte entpuppt.
Ich wanke zum Ausgang. Es hat mich wieder so mitgenommen. Wie soll ich dermaßen emotional aufgeladene Ereignisse ohne ein Beruhigungsmittel noch einmal überstehen?